TV-Kritik

Das macht WWM so erfolgreich

Es war 1997 in Montreux. Ich sass in der Jury bei der Rose d’Or (1961 bis 2014), einem der weltweit bedeutendsten Fernsehfestivals der Welt. Uns begeisterte die britische Quizshow «Who wants to Be a Millionaire?». Der Engländer David Briggs hatte die Quiz-Idee 1996 entwickelt. Das Interesse der Unterhaltungschefs (sie reisten jedes Jahr aus aller Welt nach Montreux) an der Sendung war gross. Briggs hatte einen TV-Überraschungserfolg gelandet. Von England aus wurde das Quiz zum TV-Phänomen.

Die damaligen Chefs des Schweizer Fernsehens hatten das Potenzial von «Wer wird Millionär?» nicht erkannt. Dafür RTL, ORF – und der Schweizer Privatsender TV 3. Vom Frühjahr 2000 bis zu Einstellung des Kanals im Jahr 2001 gabs die Show zweimal wöchentlich, moderiert von René Rindlisbacher. Später machte 3+ das Quiz. Allerdings nur dreimal. Die Kosten waren dem noch jungen Sender zu hoch.

Bis heute wurde «Wer wird Millionär?» weltweit in 123 Länder verkauft. Alle Sender müssen sich an enge Formatregelungen halten (Studio, Licht-Effekte, Musik usw.). Das Prinzip der Show ist simpel: Der Kandidat muss 15 Fragen beantworten, der Gewinn verdoppelt sich nach jeder richtig beantworteten Frage – und am Ende geht es um eine Million. Doch die Summe allein macht es nicht spannend, erklärt David Briggs, der Quiz-Erfinder: «Es geht darum, anderen bei ihrem Triumph oder in ihrem persönlichen Desaster zuzusehen. Das ist es, was die Zuschauer wollen.»

Im deutschsprachigen Raum griff RTL am schnellsten bei WWM zu. Das war 1999. Die Kölner engagierten dafür Günther Jauch, heute das Gesicht des Senders. Kürzlich startete die neue Staffel. «Wer wird Millionär?» ist seit vielen Jahren eine der profitabelsten RTL-Shows. In 18 Jahren gab es «nur» elf Millionäre.

RTL weiss: Der deutsche Erfolg von WWM hat auch viel mit dem Moderator zu tun. Laut einer neuen grossen Umfrage ist der geborene Münsteraner «das grösste lebende Vorbild der Deutschen».

Jauchs Handschlag-Vertrag mit RTL gilt noch bis Sommer 2018. Mit dem folgenden Satz in einem Interview sorgte der 61-jährige Moderator in den deutschen Medien kürzlich für Aufsehen: «Mir macht Fernsehen noch immer Freude, aber ich habe stets dann aufgehört, wenn es am schönsten war.» Damit meinte er das «Aktuelle Sportstudio» (ZDF), «Stern-TV» (RTL), Champions League und Skispringen (RTL) und «Günther Jauch» (ARD).

Ich prophezeie mal, dass Jauch RTL über 2018 hinaus erhalten bleiben wird. Nach branchenüblichen Schätzungen verdient der geschäftstüchtige Moderator pro WWM-Folge 125’000 Euro. Über eine Gehaltserhöhung wir RTL in diesem Fall ganz bestimmt nicht streiten. Das TV-Produkt zahlt den Lohn.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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