TV-Kritik

DJ BoBo als Postauto ohne Skandal

Radio Luxemburg war mein Sender, wenn ich als Teenager tolle Musik hören wollte. Bei Jungen schon damals üblich: Zimmerlaustärke bedeutete, dass wir die Musik in allen Räumen des Hauses gut hören konnten.

Im Januar 1968 startete auf Radio Beromünster eine moderne Sendung, mit der wir Jungen uns rasch anfreundeten: «Bestseller auf dem Plattenteller», die Schweizer Hitparade. Moderiert wurde diese von «The Voice» Christoph Schwegler, der besten Stimme des Schweizer Radios for ever. Die Premiere wurde für den Basler zum Grauen: Ausgerechnet der erste Nummer-1-Hit war eine Schnulze – «Monja» von Roland W. «‹Monja› hat mich ein Leben lang verfolgt», so Schwegler. Immerhin waren in der ersten Sendung gleich mit zwei Titeln die Beatles vertreten: «Hello, Good Bye» und «Magical Mystery Tour».

50 Jahre sind seitdem vergangen. Wer singen will, findet immer ein Lied: Zum Radio-Jubiläum gab es eine Samstagabendshow. Endlich wieder einmal aus dem guten alten Studio 1 am Leutschenbach und nicht aus der von SRF teuer zugemieteten Bodensee-Arena in Kreuzlingen. Viola Tami präsentierte mit den Top-Hits aus 50 Jahren Hitparade eine musikalische Zeitreise. Dabei aufgeflammte alte Erkenntnis: Musik schafft es in Sekunden, Erinnerungen von Jahren zu wecken.

Über 7000 Stunden Musik wurden bis heute in der nach wie vor viel gehörten Hitparade (immer Sonntag auf Radio SRF 3) präsentiert. Dies von 26 verschiedenen Moderatoren. Drei davon wurden TV-Stars: Ueli Schmezer, Sven Epiney und Mona Vetsch. Von Ehemaligen hätte man gerne die eine oder andere Anekdote gehört.

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Viele Schweizer haben es in den vergangenen Jahrzehnten in die Charts geschafft, am häufigsten Gotthard und DJ BoBo. Viola Tami: «BoBo wurde eine Schweizer Marke wie Postauto, nur ohne Skandal.» Neben BoBo sassen weitere Hitparadenstürmer zum Talk im Studio (siehe Bild oben): Sina, Baschi und Peter Reber. Letzterer wegen Erkältung mit der Stimme eines kettenrauchenden Rocker-Opas. Auch dabei: Der heutige Hitparaden-Moderator Michel Birri. Neben viel nettem Geplauder und ein paar Live-Acts gab es vor allem haufenweise eingespielte Hits. Originell wäre gewesen, hierzu Christoph Schwegler als Off-Sprecher einzusetzen.

 

 


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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Kommentare

  • Geri Brunner, 12.02.2018 02:31 Uhr
    Das stimmt nicht ganz: Ueli Schmezer (Hear we go!), Sven Epiney (TAF) und Mona Vetsch (Oops!) fingen beim Fernsehen an, und kamen erst dann (zusätzlich) zum Radio. Ihr Ausdruck "TV-Star" wirkt immer etwas lächerlich. Ueli Schmezer und Mona Vetsch sind durchaus sehr gute Journalisten, sie gehören zu den besseren Journis von SRF, aber ob sie nun Stars sind? Ich weiss nicht.... Sven Epiney begann beim TAF (Tagesfernsehen), auch er ging dann parallel zu SRF3. Nun ist er bei SRF1 (und irgendwie dort fehl am Platz, er passt besser zu SRF3, er ist weniger Journi, mehr Confrencier). In den 70ern hatte die Hitparade grosse Relevanz bei den Jungen. Sie lief jeden Sonntag von 19 - 20 Uhr auf Radio DRS1. Gespielt wurden 10 Titel, man sass daheim, und nahm die Song mit den Kasettenrecorder auf. Es waren oftmals prägende Hits. Hat auch damit zu tun, dass es damals noch kein Überangebot von Musiksendern gab. Die Radiolandschaft in der Schweiz war eine Wüste, einzig eine Stunde in der Woche wurde Popmusik gespielt. Damals waren die Hitparade-Moderatoren prägend (Christoph Schwegler, Jürg Marquard, Martin Eggenschwyler). Heute hat die Hitparade an Bedeutung verloren, kaum jemand könnte wohl heute noch ein Lied spontan singen, dass gerade in der Hitparade ist. Jugendliche von heute verfolgen die Hitparade kaum, sie holen sich ihre Songs über andere Wege. Besonders angesagt ist es bei den Jungen, sich von der Hitparade zu distanzieren. Es gibt viel mehr Musik, via Internet kann man sich Musik aus der ganzen Welt holten. Die meisten Jugendliche wollen nicht "Mainstream" sein, sondern "independent" und meiden deshalb die Hitparade wie der Teufel das Weihwasser. Vielleicht sollte man darüber nachdenken, neue Sendeformate zu bringen, die Hitparade ist ein alter Zopf, und nicht wirklich mehr stilbildend.
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