TV-Kritik

Duett statt Duell

Drei Wochen vor der Wahl am 24. September ging die deutsche Bundeskanzlerin am Sonntagabend als Siegerin aus dem TV-Duell mit Martin Schulz hervor (persoenlich.com berichtete). Zwei verschiedene Repräsentativumfragen von ARD und ZDF nach der Sendung ergaben klar: Merkel hat bessere Argumente und mehr Sachverstand als ihr Herausforderer. Ausserdem wirkt sie auf die Deutschen glaubwürdiger und  sympathischer. Dennoch: Schulz hat besser abgeschnitten als erwartet. Und der starke Rhetoriker war angriffslustiger als die Chefin mit Amtsbonus.

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Die grossen deutschen TV-Sender hatten ihr Programm ab 20.15 Uhr gleichgeschaltet. Sandra Maischberger (ARD), Maybrit Illner (ZDF), Peter Kloeppel (RTL) und Claus Strunz (Sat 1) nahmen während exakt 97 Minuten die beiden Kontrahenten in die Zange  –  vor 15 bis 20 Millionen Zuschauern. Die Viererkette hatte sich ursprünglich zwei Fernsehduelle gewünscht. Merkel wollte es nicht. Somit war und bleibt es das erste und einzige direkte Aufeinandertreffen der beiden Kandidaten vor der Wahl.

Das Feuerwerk blieb aus. Weder Schulz noch Merkel zeigten Rauflust. Gleichwohl war die Sendung der Höhepunkt des Schlafwagen-Wahlkampfes. Ein rundes Dutzend Themen wurden angesprochen: vom Flüchtlingsproblem über die Türkei, Nordkorea – bis zur sozialen Gerechtigkeit, Maut, Diesel oder Terrorismus.

Es war kein Duell mit harten Auseinandersetzungen, sondern ein schon fast harmonisches, respektvolles Gespräch unter Koalitionspartnern. In vielen Punkten gibt es Einigkeit, was beide mit Zunicken jeweils noch unterstrichen. Verwunderung lösten höchstes zwei Ankündigungen aus: Merkel wie Schulz wollen die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beenden. Und auch die Kanzlerin ist gegen das Rentenalter 70, was ihr von ihrem Widersacher sogar ein Lob einbrachte. Als Zuschauer fragte man sich während diesem Duett, warum CDU und SPD nicht zu einer grossen Volkspartei fusionieren.

Fazit: Angela Merkel hält das Heft fest in der Hand. Und die Deutschen wollen ihre Krisenmanagerin in diesen weltweit unsicheren Zeiten behalten. Spannend bleibt nur noch die Frage, mit wem sie nach ihrer vierten gewonnenen Bundestagswahl regieren wird.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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