TV-Kritik

Flasche leer bei «No Billag»

Jonas Projer war in der Abstimmungs-«Arena» vom Freitag angriffiger, emotionaler und unausgeglichener als in früheren Sendungen zum Thema «No Billag». Auch Olivier Kessler hörte man schon besser. Wenn auch nicht oft. Der Initiant verstrickte sich in der Abstimmungssendung immer wieder in Widersprüche und stritt sich mit Projer um den Begriff «Gebühren». Befürworter der Initiative schlagen für die SRG neuerdings Unterstützungsbeiträge (öffentliche Gelder) in Millionenhöhe vor.

SP-Fraktionschef Roger Nordmann brachte es in der Sendung auf den Punkt: «Es ist einmalig in der Schweizer Demokratie, dass Initianten ihre Vorschläge light umsetzen wollen. Sie nehmen Abstand von der eigenen Initiative und haben Angst vor dem eigenen radikalen Text. Sie merken, dass es katastrophal wird und suchen einen Ausweg.»

Wer mit Argumenten nicht überzeugen kann, verwirrt gerne mit Schwachsinn: Mit einer peinlichen Zehnernötli-Nummer machte sich Kessler gegen Ende der Sendung unumstösslich zum Kasperli. Sein Mitinitiant Andreas Kleeb dürfte sich vorgekommen sein wie ein Ehrengast im Zirkus: Er sass in der ersten Reihe, als der Clown auftrat.

Medienministerin Doris Leuthard hielt sich eine gute Stunde wacker, enttäuschte aber im Finale viele Zuschauer. Auch mich. Auf Projers Frage nach SRG-Reformen liess sie sich nicht ein und antwortete ausweichend: «Wenn man in allen Landesteilen das Angebot in dieser Breite aufrechterhalten will, ist man schnell bei 1,2 Milliarden.» Und: «Wir geben auch für die Bauern jedes Jahr 3,7 Milliarden aus und 5 Milliarden für die Armee.»

Was war sonst noch los? Robert Gubler vom Gewerbeverband argumentierte noch schiefer als sein Verbandschef Hans-Ulrich Bigler. Wo war der Präsident? Die Zürcher Jungfreisinnigen entsandten eine Ahnungslose. Wo war Andri Silberschmidt?
SVP-Nationalrat Gregor Rutz liebt Radio- und Fernsehwerbung. Ladina Heimgartner vertrat einmal mehr marklos die SRG- Bosse und meinte: «Ich bin mit Frau Bundesrätin einig.» Was Wunder.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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Kommentare

  • Ueli Custer, 05.02.2018 09:59 Uhr
    Vielen Dank. Luciano Gloor! Ihr Post ist zwar etwas lang. Unter den hunderten von Posts, die ich bisher zu diesem Thema gelesen habe aber einer der gehaltvollsten. Zu ergänzen wäre höchstens noch: Es ist nicht die Aufgabe der SRG, ihren eigenen Auftrag neu zu definieren. Das ist Sache des Bundes. Und dieser Auftrag basiert wiederum auf der Verfassung und dem RTVG. Hier ist anzusetzen!
  • Luciano Gloor, 05.02.2018 08:33 Uhr
    Argumentationsstark waren beide Seiten nicht. Es ist mir unerklärlich weshalb niemand darauf hingewiesen hat, wie demagogisch Kesslers 10Franken-Turm ist: warum nimmt er nicht 5-Fränkler, das wäre doch viel eindrücklicher, warum nimmt er nicht 1000er-Noten? Die 13 km besagen rein gar nichts. Wenn schon, müsste eine sachgemässe Relation hergestellt werden, zum Beispiel ein Vergleich zum Gesamtbudget des Bundes, da würden Dimensionen sichtbar werden. Es wäre ein Leichtes gewesen, aufzuzeigen, dass es ihm nicht um reale Dimensions-Vergleiche ging, anstatt wie aufgeregte Hühner rumzuhopsen und ihn am sprechen zu hindern. Egal wie geschickt oder ungeschickt Projer die Diskussion mit Kessler geführt hat, er hat ununterborchen versucht Kessler die Brücke anzubieten, welche die Diskussion sofort versachlicht hätte, stur bestand Kessler jedoch auf seiner kindischen Differenzierung zwischen Gebühren und Zwangsgebühren, bloss weil er nicht zugeben wollte, dass er den Begriff "Gebühr" in missverständlicher Weise benutzt. Was soll die Rechthaberei? Auf das, was er vorschlägt passt weder der Begriff „Gebühr“ noch der Begriff „erheben“. Nur der Staat kann Gebühren erheben, egal welcher Art. Es ist völliger Unsinn, dass in der Umgangssprache Gebühr so verwendet wird, wie er autistisch immer und immer wieder behauptete. Spricht irgend jemand von Zeitungsgebühren, oder von einer Oper-Gebühr? Was private Leistungserbringen tun, wenn sie Ihre regelmässige Leistungen verkaufen, ist, Abonnements abuzschliessen. Das wollte Projer klären, Kessler jedoch wollte sich als Opfer einer manipulierten Diskussion in Szene setzen und verweigerte stur die Klärung der Begriffe. Aber schade, dass die Gegner der Initiative kein besser vorbereitetes Argumentationsrepertoire haben. Es wäre ein Leichtes aufzuzeigen, dass es die rechtliche Grundlage der SRG gar nicht zulässt ein alternatives Szenario auszuarbeiten, dass dies nur eben eine private Initiative tun könnte, welche Investoren einschliessen müsste und ein Angebot, zu welchem Preis die Aktiven der SRG übernommen werden könnten und ein Business-Plan, wie das Unternehmen überleben oder eben nicht überleben könnte/würde. Es wäre aufgrund der Rechtsgrundlage der SRG auch ein leichtes darzustellen, wieso es nicht um eine "Umstellung" geht, sondern nur eine geordnete Auflösung die Folge einer Annahme der Initiative wäre. Es tauchen zwar immer wieder mal in diese Richtung gehende Argumente auf, improvisiert und vage, anstatt fundiert und ausgearbeitet. Hier machen die Gegner Ihre Hausaufgaben nicht und schwadronieren lieber mit unverbindlichen Behauptungen, was gehe und was nicht. Man müsste halt etwas Arbeit in eine seriöse Fallstudie investieren. Dann sehen wir doch anhand der Printmedien bestens, wohin eine rein marktfinanzierte Medienlandschaft hinsteuert, die ununterbrochene Konzentration, das Verschwinden der Vielfalt. Auch dies, eine Fundgrube für fundierte Argumente, ist aber kaum zu hören. Ebenso wird weitgehend widerspruchslos der Name der Initiative hingenommen, anstatt darauf hinzuweisen, wie demagogisch er ist. Anstatt das tatsächliche Ziel zu benennen, nämlich ein neues, rein marktfinanziertes elektronisches Mediensystem, spricht der Titel nur den Effekt beim Wähler an, nicht mehr bezahlen zu müssen. Wie steht es darum auf verfassungsrechtlicher Ebene, müssen Namen von Initiativen nicht daraufhin geprüft werden, dass sie ihre Ziele unmissverständlich und undemagogisch auf den Tisch legen? Eine letzte Kategorie, in der die Gegner auch nur ansatzweise und nicht immer kohärent argumentieren betrifft das Gesellschaftsbild von Herrn Kessler und seiner Vorstellung von individueller Freiheit bezüglich dem Recht des Bürgers, nur freiwillig und nur das zu bezahlen, was er auch nutzen will, und was die Folge davon wäre, wenn sich die Schweiz darauf einliesse. Hausaufgaben, Hausaufgaben....
  • Geri Brunner, 04.02.2018 21:07 Uhr
    Viel Aufregung und Arrogantes ist zurzeit auf beiden Seiten zu sehen. Weder die SRG (Projer) noch die NoBillag-Befürworter (Kessler) sind besondere Sympathie-Träger. Beiden schaue und höre ich nicht gerne zu. Da schau ich mir doch lieber die Anne Wild auf der ARD an. Bald kommt die Abstimmung. NoBillag wird abgelehnt. Danach bleibt vieles beim Alten. Wirkliche Reformen sind von der SRG nicht zu erwarten, denn sie wird der Platzhirsch bleiben, von der Politik Gnaden. Der ganze mediale Mief in der Schweiz wird bleiben. Die junge Generation wird sowieso der Treiber sein bei der Entwicklung von audiovisuellen Medien. Für die wenigsten Jungen ist die NoBillag-Abstimmung extrem wichtig. Die tummeln sich längst auf Netflix & co. und kennen viele Sendungen von SRF und deren Anchorleute nicht mehr. Die SRG wird ca. noch eine Generation weiterleben, danach wird sowieso vieles anders sein.
  • Dieter Ammann, 04.02.2018 16:26 Uhr
    Ist gut, wenn über diese Ausgabe der ARENA berichtet wird. Besseres Anschauungsmaterial für ein NEIN gibt es nicht. Selbst Gregor Rutz, mit dem ich ein paarmal die Loge an den Swiss Indoors teilen durfte (ein intelligenter Kopf) stand nicht vollends für diesen Mist hin. Mir ist der erhöhte Aufregungsgrad von Projer auch etwas in die Nase gestochen, aber angesichts der üblen Vorgeschichte zu dieser Sendung war seine Haltung i.O. Ich hätte mich gegenüber Kessler jedenfalls nicht mehr so beherrschen können.
  • Maja Schlegel, 04.02.2018 16:18 Uhr
    Ich fand die Sendung "Arena" von 2.2. nur noch schlimm. Am meisten regte ich mich über Herrn Projer auf. Es ist nicht das erste Mal, dass er wie ein aufgeblasener Gockel auftritt, als ginge es um ihn selber. Die anderen Teilnehmer, inklusive Frau Bundesrätin Leuthard, kamen meiner Meinung nach zu wenig zu Wort. In dieser Sendung war es besonders schlimm, wie sich Herr Projer wie in einer One-Man-Show inszenierte. Der Arena-Moderator ist - zumindest für mich - eine Zumutung. Ein echter Absteller. Ich wünschte dem SRF, bei der Auswahl von zukünftigen Moderatoren - im Falle einer Ablehnung von No-Billag - eine etwas glücklichere Hand. Auch dies würde zu den Reformen der SRG gehören.
  • Marlene Frick, 03.02.2018 17:44 Uhr
    @Herr Scaglione: Sie haben recht. Herr Fischlin und Herr Brotz hatten zum Thema gute Sendungen gemacht, hart, aber fair diskutiert. Diese zwei Herren machen guten und fairen Journalismus, und stellen sich selber nicht so in den Vordergrund. Herr Projer hingegen provozierte in der Arena (eine Sendung, die man sowieso mal überdenken sollte) mit seiner Art fast bis zur Schmerzgrenze. Noch weiss ich nicht, ob ich JA oder NEIN stimmen werde. Eigentlich würde ich der SRG gerne eine Chance geben, einiges besser zu machen. Aber bei einem NEIN wird wohl alles beim Alten bleiben. Ich gehöre wohl zu den 5 Prozent, von denen Sie schreiben.
  • Widmer Roman, 03.02.2018 17:22 Uhr
    Die No-Billag-Arena war für mich ein Aufreger: Jonas Projer wirkte nicht nur angriffiger und unausgeglichener, sondern wie so oft arrogant, seine Stimme und Tonfall ist für mich kaum zu ertragen. Vielleicht sind es die "einstudiert" wirkenden Bewegungen (Zeigefinger vor den Mund), die diese Arroganz nonverbal noch verstärken. Hätte mich das Thema nicht interessiert, hätte ich abgeschaltet. Auch der No-Billag-Vertreter machte eine schlechte Falle, und ja, auch die No-Billag-Vertreter haben keine Visionen. Dazu die Vertreterin aus der SRG-Führungsetage. Zwar wirkt sie nicht so peinlich und an der Sache desinteressiert wie der Walliser SRG-VR-Präsident der CVP, aber auch bei ihr habe ich den Anschein, dass sie nicht wirklich etwas bewegen will, von einer Vision ist nichts zu spüren. Dazu noch BR Leuthard, für die die SRG eine heilige Kuh wie die Armee und die Bauern ist und die die Abstimmung einfach erfolgreich abschliessen möchte, bevor sie zurücktreten wird. Die Flasche ist tatsächlich leer bei «No Billag». Es ist zu befürchten, dass nach Wochen der gehässigen und aufgeregten Diskussionen die Initiative wohl abgelehnt wird, und sich danach bei der SRG nicht viel bewegen und verändern wird. Die SRG-Führungsetage wird sich weiterhin aus inkompetenten, aber gut verdienenden Apparatschiks zusammensetzen, wir müssen uns weiterhin arrogante und selbstverliebte Moderatoren gefallen lassen, und der Moloch SRG wird weiterhin gross, stark und selbstzufrieden über die Köpfe der Gebührenzahlenden schalten und walten.
  • Giuseppe Scaglione, 03.02.2018 11:16 Uhr
    SRG-Reformen? Abspecken? Reines Ankündigungsmarketing. BR Leuthard sagte, man lande schnell bei 1,2 Milliarden, wenn man das Angebot in dieser Breite in allen Landessprachen anbietet. Damit lieferte Frau Leuthard eigentlich die wichtigste Aussage des Abends. Viele, die ein Nein einlegen und gleichzeitig auf Reformen und auf eine schlankere SRG hoffen, werden danach enttäuscht feststellen müssen, dass sich nichts ändert. Franz Fischlin und Sandro Brotz haben ihre Sache bei den Sendungen zu NoBillag gut gemacht. Ausgewogen und Fair. Top Profis! Aber Herr Projer war in der Arena eine Katastrophe. Ich bin über die nicht vorhandene Ausgewogenheit entsetzt und schätze, dass dies den Initianten weitere 5% der Stimmen gebracht hat.
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