TV-Kritik

Geisterbahn im Regionalfernsehen

Möglicherweise ist es Ihnen auch schon passiert: Sie schalten am Vorabend etwas zu früh das Programm Ihres bevorzugten Regionalfernsehens ein. Und – oh Schreck! – Sie bekommen noch ein paar Minuten vom Infomercial «Fokus KMU» mit. Mir ist das vergangene Woche widerfahren. Vorerst bloss aus Gwunder habe ich später in einem kühlen Raum für einmal die ganze Sendung erduldet.
 
Hauptmoderator der erbärmlich präsentierten Sendung ist der Berner Kommunikationsunternehmer, Ex-Handballer und Boxer Geri Staudenmann. Dieser erinnert mich ein bisschen an Telly Savalas als Theodoros Kojak in der erfolgreichen amerikanischen TV-Serie «Einsatz in Manhattan» (1973-1978). Allerdings: Um auch nur fünfzig Meilen an die Charismatik des griechischstämmigen Weltstars Savalas heranzukommen, müsste Staudenmann die alte Route 66 überwunden haben.
 
Als «Anchorman» von «Fokus KMU» hat Staudenmann eine Lehrtochter. Sie heisst Sarah Schmitter. Die junge Frau hat und gibt sich Mühe. Als Interviewerin ist eine fürs Fernsehen in allen Belangen absolut ungeeignete und talentfreie Frau namens Grazia Siliberti unterwegs. Eine Mitarbeiterin in der Agentur von Geri Staudenmann.

 
Ich staune noch mehr: Als Sponsoren der Sendung werden UPC (ich bin seit Jahren Kunde), Swiss Life (ich war jahrzehntelang sehr guter Kunde und kleiner Aktionär) sowie der Internetdienstanbieter green.ch aufgeführt. Grosse, renommierte und erfolgreiche Wirtschaftsplayer. Haben die Bosse dieser Top-Unternehmen «ihre» Sendung «Fokus KMU» schon einmal gesehen? Oder gibt es bei denen Boxer in den Teppichetagen?
 
KMUs sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Ist doch prima, wenn sich auch eine regelmässige Werbesendung ihrer Themen annimmt. Und den regionalen TV-Stationen tut die Kohle ja wirklich gut. Aber um Himmels willen bitte doch nicht so. Selbst unter den «Bacheolorett»-Kandidaten auf 3+ entdeckte ich bei der Premiere ein halbes Dutzend Typen, welche diese Sendung gewinnender moderieren würden. Eli Simic inbegriffen. Trotz ihrem Schifflisticker-Dialekt.
 
Tipp für die wenigen Zuschauer, die nie oder selten Regional-TV schauen: Falls Sie wieder einmal Lust auf eine Geisterbahn-Fahrt verspüren, dann sparen Sie sich das Eintrittsgeld. Schauen Sie einfach «Fokus KMU».
 
Und noch ein letztes Wort direkt an Sie, lieber Geri Staudenmann: Ich bin im Fall nur ein schreibender und verbaler Boxer.

 


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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Kommentare

  • Menzi Stefan, 26.06.2017 10:51 Uhr
    Schaue schon lange kein Regionalfernsehen mehr, und ebenso schalte ich keine Regionalradios mehr ein. Fürchterlich, was da geboten wird. Radio- und Fernsehen in Marktschreier-Qualität. Da gönn ich mir doch die SRG-Programme, die wenigstens noch halbwegs professionell daher kommen. Aber es gibt ja Kreise, die möchten die Dienstleistungen der SRG abschaffen, dafür noch ein paar Milliönchen mehr an die privaten TV- und Radio-Anbieter verteilen. Nach dem Motto: Weniger Qualität bei der SRG, dafür etwas mehr Geld für die Privaten. Das Ergebnis wird sein: nur noch dilettantisches Fernsehen in der Schweiz. Herr Hildbrand hat sich ja erst kürzlich ebenfalls dafür ins Zeugs gelegt, um zum Beispiel die günstig produzierten Spartenprogramme wie Swiss Jazz, Musikwälle, VIRUS, Swiss Pop abzuschaffen. Dabei merkt man, dass dieser Kritiker nicht mehr am Puls des Geschehens ist. Sehr viele junge Leute hören, sodann sie noch Radio hören, zum Beispiel VIRUS. In unserem Stamm-Restaurant um die Ecke läuft immer Swiss Jazz. Es gibt ihn noch, den qualitätsvollen Rhythmus im Äther. Aber solch gwagglige Kritiker, wie man sie auf Persoenlich.ch manchmal erdulden muss, fordern die Abschaffung dieser Qualität. Soll man dann nur noch Privatradios hören können, die der gleiche Kritiker zwei Kolumnen später ebenfalls kritisiert? Privatradios funktionieren nun mal mit Privatgeldern. Schon ziemlicher Chabis, was Herr Hildbrand da immer schreibt, und sich dabei noch erlaubt, "Tipps" zu geben. Wo bleibt die Qualität bei Persönlich.com?
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