TV-Kritik

Nie mehr Casting-Shows auf SRF

«Ich höre gerne zu und lerne daraus», sagte Ladina Heimgartner von der SRG-Spitze am Dienstag im «Medienclub». Franz Fischlin hatte zum Thema «Wie weiter nach der No-Billag-Abstimmung?» eingeladen. Ganz Ohr bin ich auch gerne. Nur möchte ich dabei schon etwas mehr erfahren, als aus dieser weiteren «No Billag»-Diskussion. Immerhin wiederholte Heimgartner, was sie schon in Interviews geäussert hatte: «Nach einem Nein wird die SRG ein anderes Unternehmen sein. Abspecken muss sein.» Und auf Fischlins Frage nach diesbezüglichen Tabus sagte die stellvertretende Generaldirektorin: «Es gibt keine.» Nur das (personell überdotierte) Radio und Fernsehen für die Rätoromanen darf nicht angetastet werden, wenn es nach der Scuolerin und RTR-Chefin geht. Warum eigentlich nicht?

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Trotz Spitzenquoten gehören Casting-Shows im SRF-Programm mit hoher Sicherheit für alle Zeiten der Vergangenheit an. Viele Zuschauer hätten diese (von Privatsendern ausgeheckten) Formate nicht goutiert. Gleichzeitig muss die SRG laut Heimgartner aber mehr junge Zuschauer abholen. Sie und ihre Kollegen wissen ganz offensichtlich bloss noch nicht wie. Und sie gibt zu, dass es immer schwieriger wird, den Leuten das Gebührenmodell verständlich und schmackhaft zu machen. 

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«No Billag»-Initiant Olivier Kessler brachte Giuseppe Scaglione (Musik-App «my 105») in die Sendung mit. Heimgartner wurde von Casper Selg unterstützt. Der frühere «Echo der Zeit»-Chef gehörte während Jahrzehnten zu den brillantesten Köpfen der SRG. Kessler hatte wenig beizutragen und liess meist seinen Helfer Scaglione reden. Der Oberschlau warf den Initiativ-Gegnern die Verbreitung von «unfundierten Horrorszenarien» vor. Den Plan (B)igler umschiffte das Duo weitgehend. Zusammengefasst gilt aber auch für sie: Der freie Markt wird es regeln. Und eine SRG mit Informations- und Kulturprogramm werde es auch nach einem Ja zur Initiative geben. Selg hielt dagegen: «Ohne Unterhaltung und Sport schmilzt das Publikum für Information und Kultur weg.»

In einem Punkt waren sich die Teilnehmer zum Schluss einig: Es wird wohl eng am 4. März.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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Kommentare

  • Roman Widmer, 22.01.2018 19:57 Uhr
    @John Bicher: Die Frage ist, ob es "The Voice" und "Schweizer Talente" überhaupt braucht, wenn diese doch im Ausland herrvorragende Quoten bringen. Herr und Frau Schweizer kann ja zwischen rund 100 Sendern auswählen, wer will, kann diese Casting-Formate weiterhin gucken. SRF hat ja in den vergangenen Jahren x-Formate eingekauft, die auf ausländischen Sendern ebenso liefen, anstatt das es völlig eigene, Schweizer Formate gebracht hätte. Das lief dann jeweils so: In Nostalgie-Sendungen von SRF zeigte man Ausschnitte aus alten Sendungen, die grösstenteils mit dümmlichen Kommentaren von Servelat-Prominenten zugekleistert wurden. Ein Format, dass es zu Dutzenden im ausländischen Fernsehen ebenso zu sehen gibt. Das SRF zeigte endlich Mut, als es in der Silvesternacht 2017/18 zwei ganze Teleboy-Sendungen in voller Länge zeigte - ohne "Promi-Gequassel". Das wäre ein Ansatz.
  • John Bicher, 22.01.2018 10:59 Uhr
    Frau Rickli sagte mal: Casting-Formate wie "The Voice of Switzerland" (oder auch Schweizer Talente) können auch die Privaten stemmen, dazu braucht es das SF nicht. Dieses Format, dass im Ausland immer noch hervorragende Quoten bringt, sucht man aber jetzt in der Schweiz vergebens. Wo sind sie, die Privaten, die solche Shows produzieren. TV24? 3+ ? Es scheint doch irgendwie zu harzen. Lieber billige Talk-Shows, die man im Stunden-Takt wiederholen kann.
  • Marlene Frick, 20.01.2018 02:08 Uhr
    Casting-Sendungen waren ein Wunsch der kurzfristigen und schnelllebigen TV-Direktorin Ingrid Deltenre. Da war doch noch eine Show mit Jürg Marquard, es ging um Firmen, der Name ist mir entgangen. Es ist wohl irrelevant. Die erfolgreichsten Zeiten von SRF waren wohl in den späten 70ern, da hatte SRF ein scharfes Profil: Teleboy, Telearena, Kassensturz, Rundschau, Karussell, De Tag isch vergange, Das Spielhaus, Tell-Star, Musik & Gäste. Da hatte SRF Profil. Das sind vergangene Zeiten, die nie mehr zurück kommen werden. Heute ist SRF leider verzichtbar.
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