TV-Kritik

Shitstorm gegen WM-Kommentatorin

Bei der EM 2016 wurde die deutsche Sportjournalistin Claudia Neumann vom ZDF als erste Live-Kommentatorin bei Männerfussball eingesetzt. Und sogleich tobte es im Internet. Jetzt ist die 54-Jährige bei der WM in Russland im Aufgebot. Und wird in den sozialen Medien erneut übel beleidigt und verhöhnt.

Am Wochenende kommentierte Claudia Neumann die Spiele Argentinien gegen Island und Costa Rica gegen Serbien. Und wie schon vor zwei Jahren ging ein riesiger Shitstorm mit wüsten Beschimpfungen los. Viele ätzten schon vor ihrem ersten Einsatz. «Eine Schande, dass eine Frau WM-Spiele kommentieren darf!», hagelte es dann nach dem Spiel. Andere Pöbler (überwiegend Männer) forderten: «Nehmt dieser hysterischen Frau das Mikrofon weg.» Manche stört einfach ihre Stimme. Andere geben offen zu, dass sie es nicht ertragen können, wenn eine Frau Männerfussball kommentiert.

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Claudia Neumann ist eine erfahrene Sportjournalistin, die 1999 von Sat 1 zum ZDF gewechselt hatte. Wie schon 2016 nimmt die geerdete Rheinländerin (studierte Sport und Pädagogik) den Shitstorm nach aussen gelassen. Vom ZDF wird sie so verteidigt: «Mit Claudia Neumann stellen wir eine kompetente und fundierte Kommentierung sicher. Ein Männerspiel aus grundsätzlichen Überlegungen nicht von Frauen kommentieren zu lassen, wäre ein überaltetes Weltbild.»

Offen gestanden: Auch ich muss mich erst noch an die Frauenstimme im Männerfussball gewöhnen. Am Wochenende habe ich Claudia Neumann – erstmals seit der EM 2016 – wieder gehört und konnte unschwer feststellen, dass sie über reichlich Fachkompetenz verfügt. Auf alle Fälle ist sie mir inzwischen lieber als ihr Kollege Béla Réthy (61), viele Jahre Star-Kommentator des ZDF. Offenbar frustriert vom peinlichen Auftritt «seiner» deutschen Nationalmannschaft gegen Mexiko konnte es der einstige Assistent von Marcel Reif nicht lassen, sich während dem Spiel Brasilien-Schweiz immer wieder abschätzig über einige unserer Spieler zu äussern. Ein Beispiel von vielen: «Der kleine Shaqiri vom Absteiger Stoke City.»


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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