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17.05.2017

TV-Kritik

Wer braucht noch Rätoromanisches Fernsehen?

Trotz Radio und Fernsehen: Das rätoromanische Sprachgebiet zerfällt zusehends. Die Sendungen aus Chur sind nur noch purer Luxus.

1938 erklärte das Schweizer Stimmvolk die rätoromanische Sprache in einer Volksabstimmung zur «Nationalsprache». Dies mit 92 Prozent Ja-Stimmen. Eine überwältigende Sympathiekundgebung. Seit 1996 ist Rätoromanisch als Teilamtsprache anerkannt. Die Schweiz hat also bekanntlich vier Sprachen, die in der Verfassung verankert sind. Auf Kantonsebene kennt einzig Graubünden Rätoromanisch als Amtssprache, neben Deutsch und Italienisch.

Romanisch zählt seit langem zu den gefährdetsten Sprachen Europas. Das Rätoromanisch geht stark zurück, es wird zunehmend von der deutschen Sprache verdrängt. Nur noch knapp 0,5 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung spricht Bündnerromanisch. Das sind 33'000 Menschen. Praktisch alle von ihnen verstehen und reden auch Schweizerdeutsch – und Hochdeutsch.

Dies zuvor: Ich bin ein Freund des ganzen Kantons Graubünden. Darum verbringe ich in dem schönen Landesteil seit beinahe 40 Jahren auch immer wieder gerne ein paar Tage Ferien. Auch wenn viele Bündner uns Zürcher nie besonders gemocht haben. Und es schätzten, wenn wir im Nebel bleiben und ihnen das Geld direkt überweisen würden. Ausserdem: Romanisch gehört für mich zu unserem spannenden und prächtigen Land wie der imposante Piz Bernina.

Es liegt mir also fern, die rätoromanische Bevölkerung auf die Palme zu bringen. Trotzdem gehe ich das Risiko gelassen ein. Redefreiheit, Meinungsfreiheit und Pressefreiheit zeichnen die Schweiz aus. Das ganze Land. Im ganzen Land.

In einem Medienpalast in Chur residiert «Radio e Televisiun Rumantscha». 2006 wurde das über 26 Millionen Franken teure Sendezentrum vom damaligen Justizminister Christoph Blocher eröffnet. Initiant des luxuriösen Medienhauses war seinerzeit SRG-Generaldirektor Armin Walpen. Als «Geschenk» bekam dieser im Prachtbau einen Saal, der seinen Namen trägt.

Was passiert im Churer Palazzo? 160 Mitarbeitende produzieren für jährlich über 25 Millionen Franken ein Radioprogramm und täglich ab 17.40 Uhr 15 Minuten Fernsehen auf SRF 1. Montag bis Freitag «Telesguard» (Tagesschau), am Samstag «Minisguard», eine kaum beachtete Infosendung für Kinder, und «Cuntrasts» am Sonntag. Kennen Sie zufällig ein Kind, das auf «Minisguard» steht? Am letzten Samstag schauten gerade mal 8000 (zumeist alte) Menschen zu. Marktanteil: 2 Prozent. Zu «Telesguard»: Da sind es meisten zwischen 10’000 und 30’000 Zuschauer. Bei einem (Spitzen)-Marktanteil von knapp 4.5 Prozent klopfen sich die TV-Macher in Chur bereits auf die Schultern. 

Jetzt kann man ja behaupten, dass mit diesen Sendungen in der deutschen Schweiz mehr Verständnis für den rätoromanischen Teil unseres Landes geschaffen wird. Werden soll. Schön wärs. Während die Formate aus dem schönen Bündnerland flimmern, sitzen auch in der deutschen Schweiz hauptsächlich betagte Menschen vor dem Fernseher. Sie verstehen währenddessen meist nur ein Wort. Es heisst Subventiuns. Dieses Publikum wartet vor (oder sogar bereits nach) dem Nachtessen auf die 18-Uhr-«Tagesschau» und «Meteo». Danach schauen sie bei «Mini Beiz, dini Beiz» rein. Diese Sendung kommt ab und zu auch aus dem Bündnerland. Und schon blicken sie «Schweiz aktuell» und der Hauptausgabe der «Tagesschau» entgegen. In diesen Gefässen haben auch immer wieder Beiträge aus der rätoromanischen Schweiz Platz. Wenn sie relevant sind. Kein Problem, wenn da mehr drin läge.

Wissen Sie, wo das Schweizer Frühabend-Publikum nach 17 Uhr wirklich zuhause ist? Bei «Brisant» (ARD), «Hallo Deutschland» (ZDF), «Unter uns» (RTL), «Taff» (Pro 7), bei Schicksalen und Polizeieinsätzen auf Sat 1 und RTL 2 oder irgendwelchen Serien und Quizsendungen auf weiteren Kanälen. 

Noch ein Wort um Personalaufwand von «Radio e Televisiun Rumantsch» (130 Vollzeitstellen): Jeder private Schweizer Radio- und Fernsehanbieter würde dasselbe Programm mit einem Drittel des Personals produzieren. Hand aufs Herz und bei aller Sympathie für die Berge: Es kann nicht (mehr) sein, dass die SRG dem Kanton Graubünden Arbeitsbeschaffungs-Programme sponsert.

Ich kenne und schätze einige im Unterland tätige und lebende, zumeist junge Rätoromanen. Sie pflegen alle nach wie vor eine enge Beziehung zu ihrer Heimat. Aber eigene Fernsehsendungen, erklären sie auf ausdrückliche Nachfrage übereinstimmend, seien weder für sie noch für ihre Sprache bedeutsam. Und sie gucken sich die drei Formate höchstens mal zufällig an einem freien Regentag an.

Fazit: Radio Rumantsch, meinetwegen. Obschon es auch da kostengünstiger wäre, jedem der paar Hörer täglich per Postauto eine CD nach Hause zu liefern. Radiotelevisiun Svizra Rumantscha: Der Letzte soll das Licht ausmachen.

 


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