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24.11.2017

TV-Kritik

Wo die SRG Millionen sparen könnte

Die SRG könnte sich bescheiden, ohne dass ihr Publikum leiden müsste. Eine Umfrage.

Man braucht keinen Beistand von Mike Shiva, man muss nur die Zeichen der Zeit erkennen: Zusammenschlüsse, Verkäufe und Zukäufe, neue Kooperationen und weiterhin massive Restrukturierungen – in den nächsten Wochen und Monaten werden in der Schweizer Zeitungsbranche Bomben platzen. Es ist längst ein Kampf ums Überleben.

Bei allem «Gejammer» und allen Diskussionen schon Monate vor der «No-Billag»- Abstimmung: Die SRG musste nie auf Sparflamme kochen. Sie spart am Zapfen, und lässt es am Spundloch wieder raus. In den letzten Wochen habe ich mich bei knapp zwei Dutzend Gebührenzahlern aus dem näheren und erweiterten Umfeld umgehört und gefagt: «Wo würdest du bei Radio und Fernsehen sparen?»

Unter den Befragten im Alter zwischen 27 und 71 Jahren befinden sich nicht «nur» Journalisten oder Kommunikationsprofis. In meinem Notizbüchlein stehen dazu auch Aussagen einer jungen Lehrerin, eines pensionierten Zahnarztes, einer Pflegefachfrau, eines Bauunternehmers, eines Autodiagnostikers, eines Steuerkommissärs, meiner Kioskfrau oder meines Coiffeurs. Knapp zwei Drittel gaben an, dass sie die «No-Billag»-Initiative an der Urne ablehnen werden.

Ergebnis der kleinen, zugegebenermassen nicht wissenschaftlichen, aber interessanten Umfrage: Am wenigsten sparen würden die Befragten (wenig überraschend) im Informationsbereich, also bei den Nachrichten im Radio, in «Tagesschau», «10 vor 10», «Rundschau», «Eco» oder «Kassensturz». Einigkeit herrscht darüber, dass die SRG bei Radio und Fernsehen zu viele Korrespondenten beschäftigt. Mehrere Auslandposten könnten mit ARD und ZDF geteilt werden. So, wie das beispielsweise der «Tages Anzeiger» erfolgreich mit der «Süddeutschen Zeitung» tut. Nur geringfügig sparen würden die von mir Interviewten bei den populären Sportarten. Diese könnten allerdings mit weniger personellem Aufwand produziert werden.  

Umfragebefund Unterhaltung, Fiktion und Kultur: Ein Schweizer «Tatort» pro Jahr genügt («Ist eh immer langweilig»). Entweder «Wilder» oder «Der Bestatter». Ein Quiz pro Woche reicht vollends. Weniger «SRF bi de Lüt» und «Aeschbacher», weg mit «Mini Beiz, dini Beiz». Casting-Shows vermissen auch die jungen Befragten nicht («Die sind bei Dieter Bohlen gut aufgehoben»). Ausserdem: Mehr eigene Ideen bedeuten weniger Lizenzzahlungen ins Ausland. Und: Mehr als eine «Kulturplatz»-Ausgabe pro Monat will und braucht kaum jemand. Schwieriger ist die Einordnung beim Radio: Die befragte Pflegefachfrau gehört mit ihren Patienten zu den Fans der «Musikwelle», der Steuerkommissär will für seine 451 Gebührenfranken nicht auf «Swiss Classic» verzichten.

Alle sind sich einig: Nicht nur bei SRF, besonders auch in der Westschweiz, im Tessin und beim rätoromanischen Fernsehen besteht hohes Sparpotenzial. Ebenso in sämtlichen Verwaltungen, auch bei der Generaldirektion in Bern. Motto: Sparen schmeisst keine Fenster ein. «Nice to have» ist definitiv passé. Eine Stimme: «Wenn sogar die reiche Postfinance sparen muss, kann es die vergoldete SRG auch.»

Die Medienprofis unter meinen «Probanden» nervt, dass die SRG im Onlinebereich in den letzten Jahren laufend und massiv ausgebaut hat und dort inzwischen ganze Heerscharen beschäftigt. Ein Chefredaktor: «Die werben mir laufend Leute ab, indem sie ihnen höhere Löhne bezahlen können.» Wie viele Personen bei SRG explizit im Onlinegebiet arbeiten, kann der SRF-Sprecher nicht sagen. Ich hatte nachgefragt. 

Obwohl ich auch gegen die «No-Billag»-Initiative bin, haben meine Gespräche eines gezeigt: Über mangelndes Interesse kann sich das Schweizer Radio und Fernsehen nicht beklagen. Und über ein Publikum, dass sich genau überlegt, was es will und wofür es bereit ist zu zahlen. Das ist in der heutigen Zeit schon sehr viel.  

 

 


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