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Ab in den Papierkorb damit

von Andreas Von Gunten

Der Verlegerverband Schweizer Medien, das Sprachrohr der grossen Medienkonzerne, ging schon immer äusserst clever vor, wenn es auf politischem Weg neue Pfründe zu sichern galt. So auch jetzt: Kurz vor der Vernehmlassung zum Leistungsschutzrecht wird eine neue Auftragsstudie präsentiert (persoenlich.com berichtete). Parlamentarierinnen und Parlamentarier, von denen viele weiterhin an der Sinnhaftigkeit einer Medienlinksteuer zweifeln, sollen auf Kurs gebracht werden.

Ich bin erstaunt, dass sich eine renommierte Firma wie FehrAdvice und vor allem zwei Professoren der Universität Zürich und der ETH für ein solches politisches Vorhaben einspannen lassen.

Ohne Zweifel ist die Grundlage der Studie, die Umfrage, nach wissenschaftlichen Standards erstellt worden. Das eine wichtige Ergebnis, dass Google für Suchende nach News aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft attraktiver ist, wenn in den Suchergebnissen auch Inhalte von renommierten News-Anbietern erscheinen, ist auch nicht anzuzweifeln. Die Studienautorinnen und -autoren weisen deswegen an mehreren Stellen darauf hin, dass Google Gefahr laufe, weniger für solche Suchanfragen benutzt zu werden, wenn dort keine Medieninhalte mehr aufgeführt werden. Ja, sie zeigen sogar, dass die News-Suchenden in einem solchen Falle eher direkt auf die Verlagswebsite oder auf andere Plattformen ausweichen würden. Dies wäre, gemäss der Studie, schlecht für die Gesellschaft. Es sei wichtig, dass ein Informationsökosystem bestehend aus Google und den Verlagen nachhaltig existieren könne. Wie diese Erkenntnisse ein Leistungsschutzrecht rechtfertigen sollen, ist mir schleierhaft. Ich dachte immer, es ginge darum, den demokratierelevanten Journalismus zu fördern. Jetzt müssen wir plötzlich Google retten?

Der zweite Teil der Studie aber, der dann die 154 Millionen berechnet, die Google den Medienkonzernen geben soll, weist einen gravierenden Fehler und eine abenteuerliche Behauptung auf.

Die Berechnung geht davon aus, dass 55 Prozent der Suchen sogenannte Informationssuchen seien. Das sind Suchanfragen, die im Gegensatz zu Transaktions- oder Navigationssuchen zum Ziel haben, Informationen zu einem bestimmten Thema zu finden.

Der gesamte Schweizer Google-Werbeumsatz sei ungefähr eine Milliarde und somit der zu berücksichtigende Umsatz ungefähr 550 Millionen.

Um nun zu klären, wie viel davon auf «Medieninhalte» zurückzuführen sei, haben die Studienautorinnen und -autoren einen abenteuerlichen Weg gewählt: In der Umfrage haben sie die Teilnehmenden gefragt, ob sie aufgrund der Suchergebnisse lieber ein Google mit oder ein Google ohne Medieninhalte haben wollen. Dabei haben 70 Prozent ein Google mit Medieninhalten gewünscht. Darum, so die gewagte Behauptung, seien 70 Prozent der 550 Millionen, also 385 Millionen, Einnahmen, die nur dank Inhalten der Medienkonzerne zustande kämen.

Jetzt ist natürlich klar, dass längst nicht alle sogenannten «Informationssuchen» zu Ergebnissen von Medienkonzernen führen. Die Studie hat allerdings nur die Suche nach aktuellen Ereignissen, also typische Inhalte von journalistischen Medien, abgefragt. Die drei Suchbegriffe, die eingesetzt wurden, waren «Schweizerische Nationalbank Verlust», «Credit Suisse Krise» und «Marco Odermatt». Auf dieser Basis 70 Prozent der Umsätze, die Informationssuchen generieren würden, für sich beanspruchen zu wollen, ist hanebüchen. Die aufgrund dieser fragwürdigen Basis in weiteren Schritten errechneten 154 Millionen sind somit auch nicht zu begründen.

Was bleibt von dieser Gefälligkeitsstudie noch übrig, wenn die geforderten 154 Millionen ohne Fundament im Raum stehen? Ausser der verwunderlichen Idee, dass wir mit einem Leistungsschutzrecht Google retten müssen, nichts. Also, ab in den Papierkorb damit.



Andreas Von Gunten ist Verleger und Digitalunternehmer. Er ist Mitglied der Digitalen Gesellschaft und mit seinem Verlag Buch & Netz Mitglied beim alternativen Medienverband Medien mit Zukunft. Bei Buch & Netz erscheint das Online-Tech-Magazin dnip.ch.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 


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