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Bratwurst-Vielfalt

von Stefan Millius

Die Metzgerei Mustermann in Musterhausen stellt fürchterliche, völlig ungeniessbare Bratwürste her. Das zeigt eine Studie der Veganen Gesellschaft Schweiz. Wir sind nicht sehr überrascht vom Ergebnis. Nicht wegen der Metzgerei. Sondern aufgrund der Urheber der Studie.

Die «Winterthurer Zeitung» berichtet seit der Übernahme durch Christoph Blochers Swiss Regiomedia viel mehr über Politik und bevorzugt die SVP einseitig (persoenlich.com berichtete). Das zeigt eine Studie des Vereins Medienvielfalt Schweiz. Das erstaunt uns nun noch fast weniger als die Sache mit den Bratwürsten.

Der Verein Medienvielfalt Schweiz legt eine «Studie» vor, die zeigt, dass die «Winterthurer Zeitung» seit Blochers Antritt zugunsten der SVP politisiert wurde. Man muss den Autoren zugutehalten: Sie haben sich damit viel Arbeit gemacht. Das war es aber leider auch schon.

Der Verein hätte eigentlich allen Grund, Blocher zu danken. Ohne diesen gäbe es den Verein nämlich gar nicht. Er wurde einzig und allein mit dem Ziel gegründet, das «Lokalzeitungsimperium» des ehemaligen Bundesrats zu bekämpfen. Das ist keine These, das gibt man freimütig zu auf der Webseite. Dort heisst es: «Wenn ein wesentlicher Teil der Medien durch einen einzigen Besitzer geprät (sic!) wird, bedeutet das ein (sic!) Abbau der Medienvielfalt.»

Dass die bewussten Wochenzeitungen schon vorher einem einzigen Besitzer gehörten, dem Zehnder Verlag, spielt offenbar keine Rolle.

Was der Verein unter der Bewahrung der Medienvielfalt konkret versteht, zeigt dieses Beispiel: Er vertreibt einen Briefkastenkleber mit der Aufschrift «Bitte keine Winterthurer Zeitung». Vermutlich, damit im Briefkasten mehr Platz bleibt für die unzähligen anderen lokalen und regionalen unabhängigen Medien.

Aber zurück zur Studie. Was hat sie Aufsehenerregendes zutage gefördert? Zum Beispiel das: Vor der Ära Swiss Regiomedia hat die «Winterthurer Zeitung» so gut wie gar nicht über Politik berichtet. Nun tut sie es fleissig. Das ist tatsächlich skandalös, jedenfalls aus der Sicht aller Flohmarktbetreiber und Männerchöre, deren Berichterstattung nun kürzer ausfällt. Ganz erstaunlich ist es aber nicht, im untersuchten Zeitraum lagen die lokalen Wahlen in Winterthur. Und überhaupt: Irgendwie klingt das wie die Aufgabe einer Zeitung, nicht?

Und die SVP? Die werde überdurchschnittlich oft genannt, seit Blocher am Ruder ist, sagt die Studie. Wobei: Die anderen bürgerlichen Parteien irgendwie auch. Und die Wirtschaftsverbände. Was bedeutet, dass die «Winterthurer Zeitung» einen bürgerlichen Drall hat. Was wiederum nicht ganz so erstaunlich ist, wenn man weiss, dass sich die Wochenzeitung selbst seit jeher als bürgerlich bezeichnet. Hat jemand erwartet, dass Blocher ein kommunistisches Manifest draus macht?

Unterm Strich ist die «Winterthurer Zeitung» von der harmlosen Chronistin des Stadtlebens offenbar zu einem politisch relevanten Medium geworden. Gut so. Und sie übt keine Zensur. Es sind keine Klagen bekannt, dass man als Repräsentant einer anderen Partei als der SVP systematisch keinen Zugang zum Blatt erhält. Jedenfalls führt die Studie nichts dergleichen auf.

Aber nach solchen Zusammenhängen haben die Autoren der Studie wohl gar nicht gesucht. Wozu auch? Sie wussten ja genau, was sie zu suchen hatten. Und sie haben es gefunden. Wie ein Kind, das sich die Ostereier selbst versteckt.

Wie nennt man eigentlich eine Studie, bei der das Resultat definiert wird, bevor man mit der Arbeit beginnt?



Stefan Millius ist geschäftsführender Partner der Kommunikationsagentur Insomnia GmbH und der Ostschweizer Medien GmbH in St. Gallen.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.


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