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DAB−

von Roger Schawinski

Wie waren wir doch alle entzückt, als das knisternde Mittelwellenradio durch UKW mit seinem glasklaren Stereoempfang abgelöst wurde. In der Folge pflanzte die SRG gegen 1000 (!) UKW-Sender in die Landschaft – bis hin ins kleinste Bergtal. Dies erforderte nicht nur gewaltige Investitionskosten, auch der Betrieb und der Unterhalt dieser Sender gehen mit jährlich gegen 30 Millionen ins Geld.

Also suchte man in der SRG nach einer billigeren Lösung und stiess in den Neunzigerjahren auf DAB. Dies war der erste Grund für eine fatale Entwicklung. Der entscheidende Faktor aber war, dass im aufdämmernden digitalen Zeitalter bei allen, die sich fortschrittlich geben wollten, ein analoges System wie UKW grundsätzlich verpönt war. Und vor allem deshalb soll nun dem hervorragend funktionierenden UKW-System der Garaus gemacht werden.

DAB wurde 1999 im Alleingang von der SRG lanciert und erwies sich als kapitaler Flop, weil die Konsumenten keine echten Vorteile gegenüber UKW feststellen konnten. 2011 versuchte man es mit einem technisch verbesserten Produkt unter dem neuen Namen DAB+ ein zweites Mal. Seither wurden gegen 100 Millionen in diese Infrastruktur investiert. Die Betriebskosten für DAB+ betragen mehrere Millionen und steigen Jahr für Jahr weiter an.

Das alles ergibt erst dann wirklich Sinn, wenn UKW abgewürgt ist. Bis dahin sind nämlich die Kosten für alle Radiobetreiber nicht tiefer, sondern höher, weil sie zusammen mit dem Internet nun gleich drei Vertriebswege bespielen müssen. Und deshalb versucht die SRG nun alles, das UKW-Abschaltdatum möglichst weit nach vorne zu schieben. Man spricht von 2021 oder 2022 – also schon ganz, ganz bald.

Was aber passiert dann? Norwegen liefert dafür erste Fakten: Norwegen ist das erste Land, in dem UKW Ende letzten Jahres abgeschaltet wurde. Daraufhin wurde ein massiver Rückgang des gesamten Radiokonsums festgestellt (persoenlich.com berichtete). Zwar gibt es heute in den meisten norwegischen Haushalten DAB+-Empfänger, aber vielleicht nur einen. Die Zweit- und Drittempfänger in Schlafzimmer und Küche sind immer noch UKW-Radios, und die sind jetzt allesamt wertlos geworden. Und so hat sich DAB+ als brutalster Radiokonsum-Vernichter aller Zeiten manifestiert.

In der Schweiz wird es wohl ähnlich ablaufen. So schätzt man bei uns die Zahl der UKW-Radios auf 10 Millionen. Trotz massivster Kampagnen gibt es bisher vielleicht ein Drittel so viele DAB+-Empfänger. Dieses Verhältnis betrifft nicht nur den Heim-, sondern ebenso den mobilen Konsum im Auto. Das ist jedoch nur ein Teil der Problematik.

Da sich DAB+ in all unseren Nachbarländern nicht durchgesetzt hat, ist es schwer vorstellbar, dass wir UKW bei uns abschalten und damit alle Autotouristen vor den Kopf stossen. Und dann gilt es ja auch, für Naturkatastrophen sowie kriegerische oder terroristische Situationen gerüstet zu sein. Das schafft DAB+, das in einigen Jahren bestenfalls eine Abdeckung von 50 Prozent erreichen wird, in keiner Weise.

Aber dann gibt es ja noch IP. Der Konsum von Radio übers Internet ist heute bereits ähnlich hoch wie derjenige über DAB+ und steigt laufend weiter an. Denn IP ist eine Technologie, die wir für alle digitalen Bereiche anwenden. Nur das Radio mit DAB+ tanzt mit einer eigenen gewaltig teuren terrestrischen Infrastruktur aus der Reihe. Und für den Konsumenten bedeutet es Folgendes: ein neu zu kaufendes Empfangsgerät für Radio – und ein internettaugliches für alles andere.

Dieser Irrsinn ergibt wohl nur wenig Sinn, denn das formidable UKW hätte wohl zur Zufriedenheit aller ausgereicht, bis das laufende verbesserte IP auch den Radiobereich voll abdecken wird. DAB+ hingegen hat wohl als offensichtliche Zwischentechnologie nur eine Lebensdauer bis 2035. Das heisst, die teure Vorlaufzeit wird wohl mindestens ähnlich lange ausfallen wie die reine Nutzungsperiode.

Das hat man auch im Mutterland des Radios, in den USA, begriffen. Dort hatte DAB+ keine Chance. Dafür florieren UKW- und sogar noch MW-Sender, zusätzlich dazu Satelliten- und HD-Programme. Und in Europa hat DAB+ ausser in der Schweiz und Norwegen nur noch in Grossbritannien einen gewissen Durchbruch geschafft, wobei man auf der Insel vor Kurzem beschlossen hat, die auch dort geplante UKW-Abschaltung abzusagen.

Wegen der angedrohten Guillotine der UKW-Abschaltung verbreiten bei uns alle konzessionierten privaten Stationen ihre Programme auch über DAB+. Diesen kostspieligen Schritt hat man ihnen seit einiger Zeit versüsst, indem er durch den sogenannten «Technologieförderungstopf» mit bis zu 80 Prozent subventioniert wird. Doch nicht nur solche Sender profitieren von diesen Geldern, sondern unsinnigerweise auch neue Veranstalter ohne UKW-Verbreitung und Sendekonzession, die sich so ihren Markteintritt vom Staat mitbezahlen lassen. Dadurch wird dieser Topf natürlich schneller geleert und dürfte 2021 wohl leer sein.

Fazit: DAB+ ist eine teure und arge Zwängerei, die man bei uns – im Gegensatz zu beinahe allen anderen Ländern – ohne echte Not eingeführt hat. Und als die ersten Millionen verlocht waren, hat man trotz negativer Erfahrungen nicht den Mut gehabt, die Übung abzubrechen. Jetzt geht es darum, den Schaden in Grenzen zu halten. Dies bedeutet, das Abschaltdatum für UKW erst auf einen Zeitpunkt festzulegen, an dem die zu erwartenden negativen Auswirkungen überschaubar sind. Und die privaten Radiosender mit Konzession oder Leistungsauftrag sollten bis zu diesem Zeitpunkt weiterhin für ihre DAB+-Aufwendungen grosszügig unterstützt werden. Die Norwegen-Erfahrungen dürfen eben nicht leichthin vom Tisch gefegt werden. Und das Bakom, das bei DAB+ seit Anfang an beinahe tatenlos eine SRG-Linie gefahren ist, muss jetzt Flagge zeigen und alles tun, dass man die negativen Wirkungen dieser Fehlentwicklung eingrenzt.


 
Roger Schawinski ist Medienunternehmer. 1979 gründete er Radio 24. Heute er betreibt er Radio 1 in Zürich.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 


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