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Das Bakom wird zur Journalismus-Polizei

von André Moesch

Regionale TV-Sender in der Schweiz haben eine Konzession und einen Leistungsauftrag, der sie zur regionalen Information verpflichtet. So weit, so gut und auch völlig unbestritten. Neuerdings aber spielt sich das zuständige Bundesamt für Kommunikation (Bakom) zur Journalismus-Polizei auf und kontrolliert die Sender mit einem wahrlich absurden System. Nicht die journalistische Qualität zählt dabei, nicht der Gehalt der Beiträge, nicht die Vielfalt, sondern nur – die Dauer!

So heisst es neuerdings in den Konzessionen der Regional-TVs: «Die Konzessionärin stellt sicher, dass ihre eigenproduzierten Sendungen während der Hauptsendezeiten (von 18 bis 23 Uhr) pro Woche insgesamt mindestens 150 Minuten lokale beziehungsweise regionale Informationsangebote zu ihrer Region umfassen.» Tönt harmlos, wären da nicht die abstrusen Kriterien, was als «regional» und «relevant» zu gelten hat, nach denen die Bakom-Beamten mit der Stoppuhr in der Hand die journalistische Leistung «messen».

Ein paar Beispiele gefällig? Als wirklich regional gilt nur, was im Konzessionsgebiet stattfindet. Das Heimspiel der lokalen Fussballmannschaft ist es. Der Auswärtsmatch hingegen nicht. Und überhaupt kann nur als regional gezählt werden, wenn der Ortsname explizit genannt wird. Wenn Telebasel also über eine Demonstration «auf der mittleren Rheinbrücke» berichtet, dann zählt das nicht. Sondern nur, wenn es heisst «auf der mittleren Rheinbrücke in Basel». Zuschauer werden sich an den Kopf greifen, «weiss-i dänk, dass die Brugg z Basel stoot!»

Ähnlich verhält es sich mit der Relevanz. Sogenannte «Bad News» beispielsweise sind nicht relevant und werden nicht gezählt. Da fielen dann auch diverse Meldungen zum Coronavirus raus, weil sie der Kontrolleur willkürlich zu Unfällen und Verbrechen, also Bad News, zählte.

So gibt es zahllose weitere absurde Beispiele – und die Sekunden zerrinnen den Sendern unter dem Journalisten-Griffel. Am Schluss steht das Plazet des Bakom: Wer die 150 Minuten nicht erreicht, hat ein Aufsichtsverfahren am Hals, riskiert die Kürzung der Gebührengelder und den Entzug der Konzession. Und so kommt es denn zu Schlagzeilen wie diese Woche: «Regionale TV-Sender erfüllen Informationsvorgaben nicht» (persoenlich.com berichtete).

Nicht nur, dass das Bakom mit seinem untauglichen Kontrollsystem die Programmautonomie der Sender verletzt, wie mittlerweile ein Rechtsgutachten von Professor Urs Saxer zeigt, sondern das Bakom beschädigt mit solchen Schlagzeilen den Ruf der Regionalfernsehen massiv. Die notabene noch nie so viele Zuschauer hatten wie während der Coronakrise.



André Moesch ist Präsident von Telesuisse, dem Verband der Schweizer Regionalfernsehen. Seit dem Sommer 2021 ist er Geschäftsführer von Telebasel. Davor war er Leiter Events und Leiter Public Affairs des Bereichs Entertainment von CH Media.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.


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