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Das Bild macht die Wirkung

von Stefan Millius

Aufmerksamkeit ist die harte Währung von Politikerinnen und Politikern. Sie können sich noch so emsig im Parlament, in Kommissionen und Arbeitsgruppen ins Zeug legen: Wenn es keiner mitkriegt, war die ganze Mühe umsonst. Bei der erhofften Wiederwahl zählt nicht allein das erzielte Ergebnis der Arbeit, sondern die Frage, ob Person X mit diesem Ergebnis in Verbindung gebracht wird. Deshalb hat auch oft nicht der effizienteste Politiker den grössten Rückhalt beim Stimmvolk, sondern derjenige, der mit noch so sinn- und erfolglosen Vorstössen oder Aktionen die Schlagzeilen beherrscht.

Der frühere CVP-Nationalrat Felix Walker wurde einst in einem Fernsehbeitrag über Schüler auf Besuch im Bundeshaus gefragt, was er konkret hier mache. Seine Antwort war so kurz wie legendär: «Finanzkommission!» Nun war der einstige Raiffeisenchef dort vermutlich ein sehr verdientes Mitglied. Aber Eindruck schindet man mit dieser technischen Umschreibung nicht, schon gar nicht bei Jugendlichen. Die Antwort ist schlicht nicht greifbar und nicht nachvollziehbar. Sie klingt nach einer sitzenden Tätigkeit ohne Resultate.

Damit war und ist Walker keineswegs alleine. Alle Parteien von links bis rechts sind der Ansicht, die technische Darstellung ihrer Leistungen oder Forderungen in Textform müssten für das Stimmvolk Grund genug sein, sie zu wählen. In Wahrheit bleibt davon kaum etwas hängen. Es ist einfach ein Teil des obligaten Pingpong-Spiels der verschiedenen Seiten. Partei A erhebt eine Forderung, Partei B ist empört, Partei C bringt einen Alternativvorschlag ein: Das ist Schattenboxen, nichts passiert wirklich, jeder weiss es, keinen beeindruckt es. Ein Klassiker in politischen Medienmitteilungen ist auch die Formulierung «Vorschlag wird scharf zurückgewiesen». Scharf in Form einer Chili-Schote ist wirkungsvoll. Scharf in Form eines Wortes ist wirkungslos.

Was wirklich nachhaltig bleibt, sind Bilder. Und zwar keine aus dem Fotostudio, sondern solche in Aktion. Ungekrönte Könige in dieser Disziplin sind die Jungsozialisten. Sie kiffen vor der Kamera, sie inszenieren sich oben ohne, sie lassen sich beim Protest vor dem Anwesen von Magdalena Martullo-Blocher ablichten. So fragwürdig und inhaltsleer einige dieser Übungen auch sein mögen, sie bleiben haften – dank dem Bild. Ein reines Pressecommuniqué zum «Women’s March Day» würde in etwa so viel Aufmerksamkeit erhalten wie der vielzitierte Sack Reis in China, der umfällt. Der Agendahinweis «oben ohne» von einigen Juso-Frauen hingegen erschien in fast jeder Zeitung, wurde auf Facebook unzählige Male geteilt und dank unkontrollierter Kommentatoren sogar zur Gerichtssache.

Parteistrategen mögen einwenden, dass viele der wirklich wichtigen Geschäfte zu komplex sind, um in einem Bild eingefangen zu werden. Diese Haltung ist aber nur der mangelnden Kreativität geschuldet. Die Kunst liegt gerade darin, selbst eine öde Steuerreform auf die einfache Botschaft herunter zu brechen. Und wenn das inhaltlich gelingt, klappts auch mit dem Bild. In der Realität erschöpft sich der Ideenreichtum punkto Foto allerdings meist darin, dass einige rührige ältere Herren mit Kartons voller Unterschriftenbögen vor dem Bundeshaus stehen. Genügend Unterschriften, Mission erfüllt. Für die Politiker mag das stimmen, aber nicht für den Rest. Denn Papierstapel in Kartons berühren nicht – und sie regen nicht auf.


Stefan Millius ist geschäftsführender Partner der Kommunikationsagentur Insomnia GmbH und der Ostschweizer Medien GmbH in St. Gallen.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 


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