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Das Imperium schlägt zurück

von René Zeyer

Man kann von Julian Assange und Wikileaks halten, was man will. Man kann sich über die Dummheit der USA-Behörden lustig machen, die vertrauliche oder geheime Dokumente in eine Datenbank stellen, auf die Hunderttausende Zugriff hatten. Aber der Spass hört auf, wenn ein Schweizer Staatsbetrieb ohne Not öffentlich bekannt gibt, dass er die Kundenbeziehung zu Julian Assange beendet. Ich habe auch ein Postcheckkonto, und ich bin bislang davon ausgegangen, dass das eine Angelegenheit ist, die nur Postfinance und mich etwas angeht. Doch der Rechtsstaat USA kann noch ganz anders. In einem Geheimverfahren wurde die Zwitscherplattform Twitter von einer US-Richterin in Virginia aufgefordert, sämtliche Informationen über alle Twitter-Accounts herauszurücken, die in Verbindung mit Wikileaks oder namentlich genannten Unterstützern der Enthüllungsplattform stehen. Dazu gehören: Klar- und Benutzernamen, Adresse, Privat- und Geschäfts-E-Mails dieser Personen, Telefonnummern, Kontoverbindungen usw. Das alleine wäre schon beängstigend genug. Aber der Clou kommt erst noch: Gleichzeitig wurde Twitter in dieser sogenannten Subpoena verboten, die Betroffenen oder die Öffentlichkeit über diese Anordnung zu informieren. Wer’s nicht glaubt, kann das Dokument hier einsehen: Subpoena Ein Rückfall ins Mittelalter mit seinen königlichen Geheimbefehlen, gegen die der Untertan keinerlei Rechtsmittel einlegen konnte. Also ein Rückfall in reine Willkür. Immerhin hat sich Twitter erfolgreich gegen die Geheimhaltungsklausel gewehrt, so konnten die namentlich aufgeführten Betroffenen wenigstens informiert werden, und auch dieses Dokument richterlicher Schande fand seinen Weg ins Internet. Aber damit ist die Story immer noch nicht zu Ende. Die Opfer des Lauschangriffs, darunter eine isländische Parlamentsabgeordnete, haben nun bis 17. Januar Zeit zur Gegenwehr. Allerdings: Wo, womit und mit welchen Kostenfolgen oder Aussichten auf Erfolg, ist völlig unklar. Na und, mögen nun einige Leser denken. Au weia, mag nun der Leser denken, der auf Twitter oder einer anderen Plattform zum vermeintlich freien Meinungsaustausch mal einen Satz wie: «Ich finde Wikileaks toll», platziert hat. Recht hat er, das ist beängstigend. Das ist eine reale Bedrohung der Meinungs- und Informationsfreiheit. Wer das für eine Übertreibung hält, dem kann ich nur wünschen, dass er spätestens bei seiner nächsten Einreise in die USA nicht eines Schlechteren belehrt wird.

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