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Das traurige Ende einer l’histoire d'amour

Matthias Ackeret

Und wieder verschwindet ein Traditionstitel: 36 Jahren nach Gründung wird das welsche Ringier-Blatt «L’Hebdo» eingestellt (persoenlich.com berichtete). Der Zeitpunkt kommt – wie oftmals bei solchen Entscheiden – überraschend: «L’Hebdo» war – für den Aussenstehenden jedenfalls – wie ein unantastbarer Leuchtturm in der heftig umkämpften Medienlandschaft.

Das kam vielleicht auch aus seiner Geschichte: Als «L’Hebdo» 1981 gegründet wurde, war es nur die kleine Schwester des Nachrichtenmagazins «Die Woche», eines ambitionierten «Spiegel»-Verschnittes mit Schweizerischer Ausprägung. Hanspeter Lebrument, heute Somedia-Verleger, war Chefredaktor, Frank A. Meyer, seit drei Jahrzehnten das publizistische Gewissen von Ringier, Chefredaktor der Redaktion Bern. Doch alle Vorschusslorbeeren nützten nichts: «Die Woche», im Herbst 1981 pompös mit 44’000 Exemplaren gestartet, stürzte in den nächsten 13 Monaten vertikal ab und stellte im Oktober 1982 seinen Betrieb ein. Die Auflage betrug zu jenem Zeitpunkt noch ganze 14’000 Exemplare.

Doch es ist wie im Märchen: während der grosse Bruder einen schnellen Herzinfarkt erlitt und schon bald in Vergessenheit geriet, prosperierte sein welsches Pendant zur allgemeinen Überraschung. Aus dem hässlichen Entlein wurde eine strahlende Königin. Unter der Leitung von Jaques Pilet entwickelte sich «L’Hebdo» zum Vorzeigetitel für ein links-grünes, europafreundliches und urbanes Publikum. Während man hierzulande mit dem «Spiegel» oder der NZZ kokettierte, machte man es jenseits des Röstigrabens mit «L’Hebdo“.

Was man aber nicht wusste: «L'Hebdo» schrieb seit 2002 rote Zahlen. Einzig 2007 war die Zeitschrift noch rentabel. Allein in den letzten vier Jahren hat das Magazin die Hälfte des Werbeumsatzes und einen Drittel der Auflage verloren. Gerade die Nachrichtenmagazine waren die ersten Opfer des Internets und der ganzen Digitalisierung. «Newsweek» als Mutter aller Nachrichtenmagazine war kurzzeitig nur noch im Netz zu lesen, «Facts» stellte vor bald zehn Jahren seinen Betrieb ein. Die Romandie als Zwei-Millionen-Markt ist zudem deutlich kleiner als die Deutschschweiz.

Trotzdem ist es wohl zu kurz gegriffen, für das Scheitern von «L’Hebdo» ausschliesslich die Inseratenkrise und die Digitalisierung verantwortlich zu machen. Vielleicht symbolisiert der Untergang des Magazins auch einen Wandel im Zeitgeist. Gefragt sind auch heute in der Romandie europakritischere und wirtschaftsfreundlichere Töne. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Entscheid, «L’Hebdo» einzustellen und voll auf die smarte Tageszeitung «Le Temps» zu setzen, folgerichtig. Schade ist er auf jeden Fall. «Letzter trauriger Akt einer einst grossartigen Idee, DIE WOCHE/L'HEBDO. Chers collègues - alte Wegbegleiter leiden mit,» schreibt Ringier-Legende Fibo Deutsch auf Facebook. Er gehörte damals der Chefredaktion an. Doch neben der Trauer über die überraschende Einstellung frägt sich die ganze Branche besorgt: Who’s next?

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