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Der kleine Unterschied

von Matthias Ackeret

«Am Anfang war das Wort.» Wie gross die Bibelfestigkeit der neuen SRF-Chefin ist, entzieht sich der Kenntnis des Schreibenden. Dass Nathalie Wappler nach den Prämissen des weltberühmtesten Buches handelt, ist seit vergangenem Wochenende offensichtlich (persoenlich.com berichtete).

Doch es handelt sich nicht um ein Wort, das ihre Regentschaft begründet, sondern um zwei Sätze. «Wir müssen ein Programm machen, das informiert, aber nicht polarisiert», so Wappler, und doppelt sogleich nach: «Wir müssen keinen Meinungsjournalismus machen.» Oder anders formuliert: Der Moderator moderiert, der Kommentator kommentiert. Was in jedem Medienseminar als Gemeinplatz abgetan und höchstens nur noch Gähnen provozieren würde, löste im Leutschenbach Schockstarre aus. Wen hat sie wohl gemeint? Jenen «10vor10»-Moderator, der mit seinen Tweets gegen den twitternden US-Präsidenten ankämpft? Oder sonst jemand aus der Gilde jener Moderatoren, die sich auch als Welterklärer begreifen? Dass es eine normale Floskel war, mag niemand so richtig glauben. Doch Namen lässt Nathalie Wappler keine fallen. Noch.

Die neue Chefin hat ihre Bühne mit Bedacht gewählt. Wie die Vergangenheit zeigt, eignet sich die «NZZ am Sonntag» gut für prägnante Auftritte. Unvergessen das mittlerweile legendäre Interview mit SDA-Chef Markus Schwab Anfang dieses Jahres. Dass Wappler Führungsstärke zeigen wird, wurde bereits bei ihrer Ernennung vor einer Woche klar: Die Diskussion über die Verlegung der Berner Radiostudios nach Zürich beendete sie mit einem Satz. Berühmt wurde sie vor sieben Jahren, als sie als frischgekürte SRF-Kulturchefin die Schweizer «Tatort»-Folge «Wunschdenken» kritisierte: zu viele Klischees, eine schlechte Hauptdarstellerin und eine holprige Story. Frauenpower der anderen Art. Man kann die Zeit angenehmer verbringen, als gegen die Kulturfraktion anzukämpfen.

Doch nun zurück zum aktuellen Interview in der NZZaS: Wapplers Aussage löste ein kleineres Erdbeben aus. Sogar deutsche und österreichische Zeitungen berichteten darüber. Die «Aargauer Zeitung» fürchtet sich bereits: «Wird Wapplers SRF endgültig zahnlos?» Doch die Forderung nach mehr Sachlichkeit, wie sie die SRG in ihren Leitsätzen ständig predigt, bedeutet keineswegs Langeweile. Vielleicht einfach weniger Schnoddrigkeit gegenüber «Andersdenkenden», vor allem aus dem rechten Lager. Dass die AZ hingegen das SRF bereits mit ihrem Namen gleichsetzt, dürfte Nathalie Wappler gefallen. Zumal sie erst im nächsten Frühjahr startet. Bis dann doziert sie noch über den kleinen Unterschied von Meinung und Information.


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