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Die ganz grosse Chance der SRG

von Roger Schawinski

In der Schweiz stehen zurzeit die wichtigsten Ernennungen im wichtigsten Medium des Landes an. Es geht um die Besetzung der Positionen des Generaldirektors der SRG und des Superdirektors für die Deutschschweiz. Doch ausser Spekulationen geschieht dies unter vollständigem Ausschluss der Öffentlichkeit. Die weithin unbekannten Mitglieder von Gremien, die ihrerseits weithin unbekannt sind, werkeln seit Monaten im Verborgenen. Und eines schönen Tages werden sie uns jene Personen präsentieren, die auf Jahre hinaus die entscheidenden Medienpositionen in unserem Land einnehmen werden. Und wir werden uns die Augen reiben und fragen, wie dies alles abgelaufen ist und welche Kräfte in welcher Form eingewirkt haben. Ich halte dies für eine suboptimale Übungsanlage. Das Argument, dass unterlegene Bewerber nicht desavouiert werden sollen, ist nicht stichhaltig. Wer sich um eine dieser besonders sensiblen Positionen bewirbt, sollte selbst das Risiko einer Ablehnung nicht scheuen. Was für Bundesratskandidaten zumutbar ist, sollte auch hier gelten. Denn dem Diskretionsgebot steht das Transparenzprinzip gegenüber, und dies ist für die Spitzenposten in der mächtigen SRG von besonderer Bedeutung. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, wie gross die Machtbefugnis der SRG-Bosse ist. Und durch die zurzeit angeschobene Konvergenz wird die Machtballung nochmals verstärkt. So wird in Zukunft eine einzige Person – der Superdirektor für Radio und Fernsehen –über alle Informationssendungen der SRG in seiner Sprachregion gebieten. Er setzt die Chefs in diesem Bereich ein, er gibt die Richtlinien vor, er verteilt die Mittel und beschliesst über die Köpfe, die die entscheidenden Sendungen prägen. Mit einem Wort: Es ist von allergrösster Bedeutung, dass eine möglichst kompetente, integre und leistungsfähige Person diesen Job erhält. Unserem heutigen Verständnis von Information würde es deshalb entsprechen, wenn die Medien nicht nur bruchstückhaft über diese anstehenden Entscheidungen berichten könnten. Sie sollten ihre Aufgabe erfüllen können, damit sich eine breite Öffentlichkeit ein möglichst gutes Bild machen kann. Dies würde nach erfolgter Wahl die Glaubwürdigkeit der neuen Amtsinhaber massiv stärken – und Glaubwürdigkeit ist gerade für diese Positionen das wohl wertvollste Attribut. Aber so soll es nicht sein. Und so wird hinter dieser Wahl das Odium der Hinterzimmer- Rankünen bleiben. Sollte Ruth Metzler den Topjob gewinnen, wäre es wohl das schlechte Gewissen ihrer Abwähler und die übliche CVP-SRG-Connection, wird es heissen. Sollte es Tibère Adler schaffen, würde wohl der Sprachenproporz ins Feld geführt. Bei Filippo Leutenegger würde man munkeln, dass er seine Bundeshaus-Beziehungen offensiv genutzt habe. Und bei allen würden die belegbaren beruflichen Befähigungen in den Hintergrund rücken. Deshalb wäre es notwendig, dass die Führungsgremien der SRG nochmals über die Bücher gehen und zumindest über die Teilnehmer im Finale informieren. Denn man kann sich nicht Kommunikation auf die Fahne schreiben, um sie dann im wichtigsten Moment zu verhindern. Die SRG hat heute eine grosse Chance zur Erneuerung. Diese sollte sie nicht verpatzen.

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