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Die Medien und der Untergang

von René Zeyer

«Der Mensch ist gar nicht gut, drum hau ihn auf den Hut. Hast du ihn auf den Hut gehaut, dann wird er vielleicht gut.» Eine ausgezeichnete, wenn auch viel zu optimistische Analyse von Bertolt Brecht, was die aktuelle Lage der Schweizer Printmedien betrifft. Jahrzehntelang haben sich zwei Verlegerclans an ihren Gazetten dumm und krumm verdient. Die alte Tante NZZ konnte sich, obwohl strammer Verfechter der Marktwirtschaft, fast alles leisten, ohne dass das Aktionariat gross nach Return on Investment fragte.

Dann kam das Internet, und viele Jahre lang tat man so, als sei das ein virtuelles Spielzeug, das als herausragende Eigenschaft den Austausch von Mitteilungen und Daten erleichtere. Ach, da entstehen Handelsplattformen, die den Verkauf von eigentlich allem neu organisieren, so dass nur Wochenaktionen von Grossverteilern und, aus Pietät, Todesanzeigen für den Print übrigbleiben? Na und? Da kaufen wir uns doch einfach für teures Geld auch solche Plattformen, da geht scheint’s die Post ab. Bis die Platzhirsche Google, Facebook und Amazon auch dieses Geschäft abräumen.

Was denken wohl die ganzen Verlagsmanager, Geschäftsleitungen, Familienräte unter ihren Hüten, wenn sie eine Antwort auf die Frage suchen, wozu Printmedien eigentlich noch gut sind? Da werden weiterhin Wälder im Norden abgeholzt, in Papier verwandelt, in Druckereien transportiert, wo dann mit einigem Aufwand Buchstaben draufgedruckt werden, die dann noch distribuiert werden müssen und nach all diesem Aufwand und dieser Mühe doch nur die News von gestern beinhalten? Die von jedem bereits im Original oder in einer Abwandlung bequem, gratis und sogar multimedial auf dem Bildschirm betrachtet werden konnten. Macht Sinn?

Ah, aber die Einordnung, die Analyse, der Hintergrund, das Lokale, die Entschleunigung, die Gewohnheit. Und die Sparmassnahmen. Die Synergien und die Fusionen nicht zu vergessen. Der billige Hütchenspielertrick, dass mit weniger Redaktoren, weniger Ressourcen und weniger von allem hohe Qualität hergestellt werden könne, und erst noch die gleiche unter allen Hütchen. Also hat sich Ringier in Axel Springer/Ringier und einen Gemischtwarenladen verwandelt, der sich Printprodukte nur noch aus Nostalgie hält. Tamedia hat sich in «T» verwandelt, das die gleiche Sauce aus zwei Zentralredaktionen in alle Printorgane giesst und sich fast die ganze Auslandberichterstattung bei der «Süddeutschen Zeitung» postet. Und die NZZ hält prinzipienstark am publizistischen Auftrag fest und setzt auf Content. Drei Modelle, drei Untergangsszenarien.

Die Herstellung einer Nachricht beinhaltet eine Leistung; damit die zur Wertschöpfung wird, kann sie nicht gratis sein. So einfach ist das. Kein anderer Dienstleister auf der Welt käme auf die hirnrissige Idee, sein Produkt sowohl gratis wie gegen Bezahlung anzubieten. Ausser den Newsproduzenten. Um das zu erklären, wird unter den Hüten viel Gehirnschmalz aufgewendet. Die durch Inserate finanzierte Gratis-Zeitung, die Ads im Internet, wo der Leser zudem mit seiner Aufmerksamkeit und seinen Daten zahlt. Und das beste aller Argumente: Die anderen machen das doch auch. Ach, alleine Google und Facebook schöpfen 80 Prozent des Werbekuchens im Internet ab? In der Schweiz bleiben von der runden Milliarde Online-Werbung sagenhafte 80 Millionen Franken im Kässeli der Verlagshäuser? Da ziehen die Verlagsmanager den Hut lieber über Ohren und Augen, als die Realität zur Kenntnis zu nehmen.

Und entdecken die Bedeutung der Medien als Vierte Gewalt, als unverzichtbarer Bestandteil einer funktionierenden modernen Demokratie. Mit anderen Worten: Sie betteln um noch mehr Staatshilfe, um Subventionen, um Steuergelder. Also der Klassiker: Sozialisierung der Verluste, Privatisierung der Gewinne. Nachdem ihnen jahrelang, bis heute, nichts, einfach nichts eingefallen ist, wie man ein obsoletes Geschäftsmodell durch ein ertragsreiches ersetzen könnte. Da kann man diese Versager noch so auf den Hut hauen, da wird nichts gut.


René Zeyer ist Inhaber von Zeyer Kommunikation in Zürich. Er ist Publizist (BaZ, «Sonntagszeitung», «Weltwoche», NZZ) und Bestsellerautor.

Der Autor vertritt seine eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.


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