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Die Welt weint – ausser auf SRF

von Matthias Ackeret

Donald Trump forderte zum Löschen der Pariser Notre-Dame Wasserflugzeuge. Vom Schweizer Fernsehen hat er die Katastropheninfos kaum erhalten, dieses sendete die Gesundheitssendung «Puls». Auf SRF zwei kam eine amerikanische Serie, SRF info berichtete über das Skipassdesaster in Saas-Fee. Während die Welt weinte und sich die Newsportale und Sozialen Medien mit Betroffenheitsmeldungen, Analysen und Bildern aus Paris überboten, schottete sich das gute alte Schweizer Fernsehen so von der Welt ab, wie es nicht einmal die grössten Hardliner der SVP schaffen.

Nicht anders auch in Deutschland. Zwar rühmt sich unser nördliches Nachbarland immer seiner speziellen Freundschaft zu Frankreich, brennt aber eines ihrer berühmtesten Wahrzeichen, dann ist tote Hose. Zumindest auf ARD und ZDF. Nicht einmal ein knapper Einblender oder eine Laufschrift informierte die Zuschauer, dass Paris in Flammen steht. Und zwar buchstäblich.

Der – zugegebenermassen unrepräsentative – Schnelltest des Schreibers zeigte, dass ausser ORF 2 kein öffentlich-rechtlicher Sender im deutschsprachigen Raum sein Programm unterbrach oder gar live sendete wie es die amerikanischen, englischen oder – kaum überraschend – französischen Stationen machten.

Nun kam man sich zu Recht die Frage stellen, wäre dies wirklich die Aufgabe des Schweizer Fernsehens gewesen, sich live einzuschalten? Mit dem gleichen Recht muss man leider antworten, ja. Gerade in einer Zeit, in welcher die Konkurrenz im Internet und auch auf den Sozialen Medien – wie Facebook, Instagram oder Twitter – nicht schläft, können sich die grossen Dampfer nicht im «bluemete Trögli» verstecken. In Zeiten der medialen Globalisierung machen Tränen nicht vor Landesgrenzen halt: Paris ist uns so vertraut wie Bern, Basel oder auch Appenzell.

Es gibt nur wenige Ereignisse, die kollektive Betroffenheit auslösen: Der Tod von Lady Di war eines, aber auch der 11. September, der Ausbruch des Irakkrieges, die Attentate von Paris – und jetzt eben der Brand der Notre-Dame.

Gerade das Schweizer Fernsehen rühmt sich immer wieder seiner Informationskompetenz. Im Leutschenbach wird soeben ein Newsroom für rund 70 Millionen Franken gebaut. Passiert dann aber wirklich ein emotionales Grossereignis, in welchem das Medium Fernsehen live oder zumindest mit Einschaltungen seine Stärken ausspielen könnte, sendet man «Puls» oder eine amerikanische Serie. Die Zeiten, in denen der Zuschauer die Luft anhielt und auf Hintergrundinformationen von «10vor10» wartete, sind definitiv vorbei. Obwohl – das muss auch gesagt sein – deren Berichterstattung sehr gut war. Trotzdem: die Konkurrenz der elektronischen und auch sozialen Kanäle ist nicht nur schneller, sie ist oftmals auch authentischer und berührender als die etablierten Medien. Will der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der neuen Medienwelt langfristig Bestand haben, muss er sich auch ändern. Und nicht nur dem Alleinstellungsmerkmal Gebühren vertrauen.



Matthias Ackeret ist Verleger von «persönlich» und persoenlich.com

 


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