Kürzlich erhielt ich die abgebildete Statistik vom 14. März 2022. Absender eine NGO, die in zahlreichen Ländern tätig ist und sich seit Jahren für «menschliche Werte» weltweit einsetzt. In dieser Statistik wird Europa dargestellt wie ein Dritte-Welt-Land. Wie konnte es so weit kommen?
Natürlich ist der Ukraine-Konflikt der Ursprung dieser Statistik. Die Herausgeber sprechen aber bewusst nicht nur von der Ukraine, sondern von Europa. Denn Europa ist – aus einer indischen oder amerikanischen Perspektive – ein Kontinent, auf dem Krieg herrscht. Die Bedeutung dieser Aussage kann man nur erahnen. Keine Touristen, die sich nach Europa wagen. Handelsbeziehungen mit Europa, die überprüft werden. Waffenlieferanten, die um Europa buhlen, und NGOs, die sich plötzlich um Europa statt um afrikanische Dritte-Welt-Länder kümmern. Europa ist neu ein Dritte-Welt-Land.
Für einen Kommunikationsspezialisten ist diese Darstellungsform natürlich hochinteressant. Sie zeigt den Unterschied zwischen Wahrnehmung und tatsächlicher Realität. Die NGO wird mit Sicherheit all diese Leistungen erbracht haben. Natürlich in Europa. Welcher Anteil der Zahlen auf dem Ukraine-Konflikt basiert, wird nicht erwähnt. Ich vermute aber, dass er hoch ist. Aus der indischen Wahrnehmung (von wo die Statistik stammt) ist Europa ein Land, in dem jetzt Krieg herrscht. Europa ist aus der indischen Perspektive kein Kontinent bestehend aus 27 Ländern, sondern ein Land mit Bürgern, die gegen die eigenen Landsleute Krieg führen.
«Good old Europe» braucht dringend eine Imagekorrektur. Die EU sollte mit einigen fähigen Kommunikationsspezialisten am eigenen Profil arbeiten. Nicht nur in Indien, sondern überall ausserhalb des Landes Europa. Und die Schweiz müsste sich an dieser Kampagne beteiligen. Um zu zeigen, dass weder Europa noch die Schweiz ein Dritte-Welt-Land sind.
Peter Marti ist Inhaber von Marti Communications und Digismart in Zürich.
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