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Das Online-Magazin der Schweizer Kommunikationswirtschaft
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Eidg. Vergewaltung.

von Reinhold Weber

Ich kann mich noch lebhaft an eine Suchtpräventions-Präsentation (Pitch) erinnern, die 1991 in Bern in einem nussbaumholzig-heimeligen Säli einer Beiz stattfand. Dr. Thomas Zeltner war gerade neu im Amt, am Tisch sassen ausser ihm statt die sechs angekündigten Teilnehmer unangekündigt etwa 15 Nasen. Vom Anzugträger bis hin zur Marke Birkenstock. Wir hatten in den Wochen davor ziemlich intensiv recherchiert, ins Ausland geschaut, mit dem Gutzwiler Felix gesprochen, mit Betroffenen, mit Entwöhnten, mit Eltern von Süchtigen, mit Seelsorgern, mit Ärzten und Sozialhelfern (die wie Feuer und Wasser waren), mit Medienleuten, wir haben sog. Suchttherapiestellen besucht (Öffnungszeiten Mo. bis Fr. 14.00 bis 16.30 Uhr, bitte läuten und eintreten), die Problematik auf den für uns logischen Punkt gebracht und – aus didaktischen Gründen - in etwa fünf Kampagnen gegossen. Mann, ging das in die Cordhose! Grundtenor: Werbung, die zu offen, zu direkt, zu kontrovers sei, ja gar schockiere, würde erwiesenermassen nicht funktionieren und sei auch sonst pfui. Im übrigen würde keiner in der Schweiz diese tollen englischen Präventionskampagnen verstehen. Die Richtung „streichle Deine Seele“ (oder so ähnlich) sei die richtigere. Weil dem heutzutage offensichtlich nicht mehr so ist, verunzieren so harte wie platte wie wirkungslose Warnungen unsere Tabakpackungen. Von wegen früher sterben und absterbenden Spermien. Ab nächstem Jahr soll es dann im Zuge dieses bundesamtlichen Meinungsumschwunges noch dicker kommen: offene Raucherlungen, vierfarbig, unter dem Parisienne-Schriftzug. Das ist nicht bloss zum Kotzen. Solche „Kommunikation“ wird auch ein weiteres Mal nicht funktionieren. Kein Raucher lässt sich seinen Glimmstengel mit dem Vorschlaghammer aus dem Gesicht kloppen. Warum also nicht das Gegenteil versuchen? Zumal es genügend gute Argumente gibt, die Raucher zum Nichtrauchen – jetzt kommt’s! - zu verführen, statt sie brachial zu vergewaltigen. Unsere Kreativen haben das ansatzweise - als kleiner Denkanstoss - einmal versucht, und die eidg. Gesundheits-Vergewaltung sei hiermit freundlich  eingeladen, diese Idee auf Herz und Lunge zu prüfen.

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