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Ein Fall für die Medienpolitik

von Roger Schawinski

Nur zwei Sender sind bisher krachend in Konkurs gegangen: Radio 105 von Giuseppe Scaglione und vor Kurzem der TV-Kanal Joiz. Beides sind Medienprodukte, die sich an ein ganz junges Publikum richteten. Das ist alles andere als Zufall. Und deshalb lohnt es sich zum heutigen Zeitpunkt, wo die Politik über ein künftiges Mediensystem diskutiert, dieses Faktum zu analysieren.

Erstens ist es am schwierigsten, junge Menschen medienmässig zu erreichen. Das wissen alle Fernsehsender, vor allem die öffentlich-rechtlichen – bei einem Durchschnittsalter, das sich immer weiter weg von der 60-Jahr-Grenze nach oben bewegt. Alle Versuche, die schleichende Vergreisung aufzuhalten, sind bisher gescheitert, und dies nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland. Dort macht man bei ARD und ZDF wieder einmal mit sehr vielen Millionen einen neuen Anlauf, um junge Menschen zu erreichen. Selbst bei den Privatsendern steigt der Altersschnitt weiter an.

Ähnliches findet beim Radio statt. Der einstige SRG-Jugendkanal, der 1983 als «Störsender» lanciert worden war, sendet heute unter dem Namen SRF 3 ein Mainstream-Musikprogramm, das sich kaum von dem der privaten Konkurrenz unterscheidet. Wegen des massiv angestiegenen Altersdurchschnitts erreicht man damit hohe Quoten, während das nachgeschobene Jugendradio Virus ein Mauerblümchendasein fristet.

Unsere Medienpolitik vernachlässigt also in sträflicher Weise die Gruppe der Jugendlichen, für die kaum akzeptierte einheimische Angebote zur Verfügung stehen. Hingegen werden mit immer mehr Millionen die kümmerlichen Provinz-TV-Stationen alimentiert, die weitgehend ins Leere senden. Ebenso massiv subventioniert werden die von denselben regionalen Monopolfürsten betriebenen Radiostationen in den Bergregionen. Denn das ursprüngliche Medienkonzept hat gemäss dem Kampfruf des damaligen Bündner Bundesrats Leon Schlumpf – «Ein Radio auch für das Calancatal!» – bis heute Bestand.

Es ist für ein demokratisches und föderalistisches Land richtig, dass Randgruppen medienmässig unterstützt werden. Aber dies sind nicht – wie heute angenommen – nur Menschen in Randregionen. Dazu zählen auch Jugendliche, die medial unterversorgt sind, weil die diesbezüglichen Projekte gescheitert sind, und zwar sowohl die privaten als auch diejenigen der SRG, die aber Rückschläge verkraftet. Bei den Privaten ist das anders. Die können pleitegehen. Da verlieren wagemutige Menschen Geld und viele andere ihren Ar- beitsplatz. Natürlich gab es auch Managementfehler bei Radio 105 und Joiz – die gibt es überall. Aber das ist nicht die ganze Antwort. Fürs Scheitern gibt es weitere Gründe. Etwa den späten Marktzutritt in einem bereits sehr stark besetzten Markt. Oder die seit 2008 herrschende Stagnation im Werbemarkt, unter der neue und damit auch schwächere Angebote überproportional leiden. Oder auch eine Stand-alone-Position in einem Wettbewerb, in dem mächtige Konkurrenten mit massiver Cross-Promotion uneinholbare Vor- teile geniessen. Und dazu kommt das grundsätzliche Problem, Jugendliche überhaupt zu erreichen.

Wenn diese Pleiten doch noch etwas Positives haben sollen, dann ist es dies: nämlich, dass die künftige Medienpolitik berücksichtigt, dass die komplexe Randgruppe der Jugendlichen eine ähnliche Zuwendung erfährt wie die Menschen in Randregionen. Diese Aufgabe muss ernsthaft bewältigt werden, auch wenn die Jugendlichen nicht einmal ansatzweise eine ähnlich aktive Lobby im Bundeshaus haben wie die Randregionen. Doch aus staatspolitischer Verantwortung muss die Jugend schweizerische Medienangebote erhalten, die für sie attraktiv sind. Dazu braucht es Geld, Ideen und Engagement. Einerseits ist hier die SRG gefordert. Andererseits muss ein Teil der erst vor Kurzem aufgestockten Splitting-Millionen eingesetzt werden, damit private Projekte für Jugendliche eine echte Chance erhalten, damit sie nicht wie bisher vor dem Konkursrichter enden.

 

 

 

 


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