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Eine grosse Tragödie

von Matthias Ackeret

«Eine feste Burg ist unser Gott», dichtete vor 500 Jahren Martin Luther. Ohne blasphemisch zu werden, die Publicitas war während fast einem Jahrhundert beides: Burg und Gott. Hätte man noch vor 20 Jahren gewettet, wer am längsten überlebe, die Swissair, das Matterhorn oder Publicitas, so wäre es wohl letzteres gewesen. Doch es kommt oftmals anders, als man denkt.

Ohne es herbeizureden: Das Drama um die «P» könnte sich zur ganz grossen Tragödie in der jüngeren Schweizer Mediengeschichte entwickeln. Nach dem lautstark kommunizierten Ausstieg der Tamedia vor zwei Wochen überstürzten sich die Ereignisse und in der Folge trat ein Dominoeffekt ein, in deren Folge die restlichen grossen Verlagshäuser ihre Zusammenarbeit mit der Publicitas kündeten (persoenlich.com berichtete). Viele Gläubiger werden Liquiditätsprobleme bekommen, da nach der provisorischen Nachlassstundung der «P» der überlebensnotwendige Geldfluss vorerst – und höchstwahrscheinlich definitiv – gestoppt ist.

Aussenstehende mag erstaunen, dass es die «P» überhaupt noch gibt. Seit ihrem Verkauf an die deutsche Aurelius-Gruppe (2014) und dem zwei Jahre später erfolgten Management-Buy-out ist sie praktisch vom Radar verschwunden. Zu Unrecht, wie sich jetzt zeigt: Zwar verzichtete die «neue P» im Gegensatz zu früher auf eine lautstarke Eigeninszenierung, doch sie ist ein Riese geblieben, wenn auch ein stummer. So will die «P» von Januar bis Ende November 2016 – laut NZZ – einen Umsatz von immerhin knapp 115 Millionen Franken erzielt haben. Unter dem Strich habe offiziell sogar ein Gewinn von 26 Millionen Franken resultiert, was die NZZ aber bezweifelt. Diese Zahlen beweisen aber, dass die «P» immer noch für viele Verlage als «Mittler» agierte.

Vor sechs Jahren – also noch in den Publigroupe-Jahren* – erwirtschaftete die «P» einen Umsatz von fast 150 Millionen Franken und wies einen Verlust von Zinsen und Steuern (Ebit) von 16 Millionen Franken aus. Zusammenfassend: Die «P» war über lange Jahre ein Garant für die Schweizer Zeitungsvielfalt. Sie war für die Verlage – vor allem die Kleinen – auch eine sichere Bank, wenn es finanzielle Engpässe gab. Oder auf einen kurzen Nenner gebracht: Die «P» war Mutter, Domina und Sündenbock in Personalunion. Dies hat sich aber nicht zuletzt aufgrund des massiven Wandels der ganzen Medienwelt massiv geändert.

Die neuen Eigentümer Carsten Brinkmeier und Jörg Nürnberg waren in der Branche persönlich kaum bekannt und dürften die Eigenheiten des Schweizer Marktes – vorsichtig ausgedrückt – nicht in allen Details gekannt haben. Doch der grosse Moment der Abrechnungen und Schuldzuweisungen wird noch kommen, momentan ist es zu früh und auch wenig nutzbringend, obwohl es äusserst interessant wäre zu erfahren, warum es zum Eklat mit der Tamedia gekommen war.

Viel hilfreicher wäre es momentan für viele Betroffene, wenn die Interessenverbände der Verleger, Mediaagenturen und Auftraggeber eine Hotline einrichten oder eine Auskunftsperson benennen würden, die ihnen in diesen unübersichtlichen Zeiten juristische oder andere Ratschläge erteilen könnten. Beispielsweise auf die Frage, ob man der «P» noch Geld überweisen oder ob man die Rechnung für geschaltete Inserate direkt der involvierten Mediaagentur oder gar dem eigentlichen Auftraggeber stellen soll (dies unter «Ausschaltung» der «P», die bis anhin als Auftraggeber agierte). Dies wäre zweifelsohne von grossem Nutzen. (Anm. der Red.: Publicitas selber hat mittlerweile eine Hotline eingerichtet)

Und zuletzt noch eine kleine, bittere Pointe: Am Montag wurde Wladimir Putin zum vierten Mal als russischer Präsident vereidigt. 2006 – am internationalen Medienkongress in Moskau – eröffnete der gleiche Putin die Veranstaltung. Einer der Hauptsponsoren war damals die Publigroupe – und somit auch die «P». 


* Der «persönlich»-Verlag gehörte zwischen 2008 bis 2014 zur Publigroupe, der Muttergesellschaft der Publicitas.


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