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Einheitsbrei

von René Zeyer

Medienvielfalt ist das Salz in der Suppe einer öffentlichen Meinungsbildung. Besonders wichtig ist sie bei Wirtschaftsthemen, da von diesem Unterbau schliesslich das Wohlergehen einer Gesellschaft abhängt.

«Credit Suisse mit 2,06 Milliarden Franken Reingewinn», vermeldet die einzig verbliebene Schweizer Nachrichtenagentur Keystone-SDA. «Credit Suisse mit 2,06 Milliarden Franken Reingewinn», titeln nau.ch, die «Handelszeitung», «20 Minuten» und der «Blick». Ganz anders hingegen das Newsnet von Tamedia, das zehn Tageszeitung abdeckt: «Credit Suisse schreibt nach drei Jahren wieder Gewinn.» CH Media giesst in rund 20 Tageszeitungen: «Credit Suisse erzielt 2018 Gewinn von 2,06 Milliarden.» SRF vermeldet mit einer gewissen Verzögerung: «Gewinn der Credit Suisse übersteigt die Erwartungen». Und die NZZ zeigt, was hintergründiger und einordnender Journalismus ist: «Die Credit Suisse erzielt nach drei Verlustjahren einen Gewinn».

In der Schweiz gibt es inzwischen ein Duopol im Tageszeitungsmarkt. Was nicht zu CH Media gehört, gehört zu Tamedia. Und dann gibt es noch den für Meinungsbildung immer unwichtiger werdenden «Blick» und für die Happy Few die NZZ. Ob «Basler Zeitung» oder «Berner Zeitung», ob Luzern, Aarau, St. Gallen oder Zug: Überall werden Wirtschaftsnachrichten entweder in Zürich oder in Aarau gemacht. In zwei Zentralredaktionen. Und aus diesen ergiesst sich dann der selbst angerührte oder einfach von der Nachrichtenagentur übernommene Einheitsbrei ins Land.

Na und, könnte man jetzt sagen, schliesslich hat die CS doch Gewinn gemacht, was ist daran falsch, dass das in praktisch allen Tageszeitungen der Deutschschweiz so vermeldet wird? Nun, zitieren wir dagegen den Einzelkämpfer Lukas Hässig, den «Journalist des Jahres», der in seinem Finanzblog «Inside Paradeplatz» titelte: «Thiam erhält Superbonus für Superpleite». So kann man die Sache auch sehen, schliesslich hat die Bank ihre Gewinnziele in Asien deutlich und im Handelsgeschäft (Global Markets) brutal verfehlt: 2,9 Milliarden waren angepeilt, im letzten Quartal 2018 wurden es stattdessen 200 Millionen Verlust, übers Jahr gesehen resultierte ein Minigewinn von schlappen 150 Millionen. Und die wichtige Cost/Income-Ratio, also wie viel muss die Bank aufwenden, um einen Franken zu verdienen, liegt hier bei 96 Rappen, ein unterirdischer Wert.

Das ist sicher auch nicht die alleinige und objektive Wahrheit. Aber wo soll sich der mündige Bürger, der vielleicht nicht ganz fit ist in der Beurteilung einer Bankbilanz, eine eigene Meinung bilden? Schon im Vorfeld der gerade fälligen Jahresabschlüsse der beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse durften deren Lenker zudem Gefälligkeitsinterviews geben; sowohl Sergio Ermotti, der CEO der UBS, wie Urs Rohner, der Verwaltungsratspräsident der CS, konnten sich, unbelästigt von kritischen Fragen, bei CH Media zu allem äussern, was ihnen gerade so in den Sinn kam. 

Zu Recht war einer der vielen Kritikpunkte an den sozialistischen Staaten, dass Blätter wie das «Neue Deutschland», die «Prawda», bis heute die Parteizeitung «Granma» in Kuba oder «Rodong Sinmun» in Nordkorea, nur eine Karikatur dessen waren und sind, was Medien eigentlich sein sollten. Nicht nur Berichterstatter, sondern immer auch Kritiker. Nicht nur Verkünder froher Botschaften, sondern Hinterfrager, Analysten. Denn wer sonst sollte das tun? Dass die Banken selbst nur Jubelschreie und mit viel Hirnschmalz aufgehübschte Ergebnisse präsentieren, ist verständlich. Neckisch ist dabei der Trick, Minuszahlen nicht wie früher in Rot und mit einem Minus davor zu präsentieren, sondern in Klammern. Sieht doch viel besser aus, wenn der Jahresverlust im 4. Quartal 2018 bei Global Markets so dargestellt wird: (193).

Aber zumindest sogenannte Qualitätsmedien sollten dem Leser doch die Möglichkeit geben, durch Analyse und Einordnung sich selbst so etwas wie eine eigene Meinung zu bilden. Früher, in den guten alten Zeiten, war das einfacher. Wer eher bankenkritisch eingestellt war, las die AZ-Zeitungen der Sozialdemokraten, wer tendenziell bankenkritisch war, las beispielsweise die «Nationalzeitung» in Basel. Oder sogar den «Tages-Anzeiger». Und wer sich wirklich informieren wollte, las halt zwei oder gar drei Zeitungen, um die verschiedenen Blickwinkel gegeneinander abwägen zu können.

Aber heute? Wenn es stimmt, dass eine offene, selbstbestimmte Gesellschaft kritische und vielfältige Medien braucht wie die Luft zum Atmen, als wesentlichen Bestandteil der Meinungsbildung, dann wird es einem schwummerig, schwindlig und elend.



René Zeyer ist Inhaber von Zeyer Kommunikation in Zürich. Er ist Publizist (BaZ, «SonntagsZeitung», «Weltwoche», NZZ) und Bestsellerautor.

Der Autor vertritt seine eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 


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