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Gehirn einschalten, dann sprechen

von Marcus Knill

Wer bei heiklen Fragen vorschnell antwortet, tritt früher oder später ins Fettnäpfchen. Nicht nur in der Medienrhetorik, sondern auch in der Alltagskommunikation gilt: Gut zuhören – denken (Denkpause) – erst dann sprechen.

Böse Zungen sagen bei einer Person, die unbedacht antwortet: Sie muss wohl drauflos reden, damit das Gehirn einschaltet. Beim Flugfunk gilt der hilfreiche Tipp: «Drücken, schlucken, sprechen.» Übertragen auf Dialoge will das heissen: Vor dem Sprechen lohnt sich immer eine Denkpause. Gehirn einschalten, dann sprechen.

Ich analysierte für die Schaffhauser Nachrichten die Auftritte der zwei SP-Bundesratskandidatinnen und der zwei SVP-Kandidaten. Bei Elisabeth Baume-Schneider wies ich bei den Defiziten darauf hin, dass bei ihr Sprechpausen hilfreich wären.

Bei ihrer ersten Medienkonferenz hatte nun die frisch gebackene Bundesrätin den Appenzellern unterstellt, sie seien Hinterwäldler. Konkret wurde Baume-Schneider gefragt: «Was sagen Sie einem Appenzeller oder einem Deutschschweizer aus der Stadt, der sich beklagt, dass er sich nicht mehr im Bundesrat vertreten fühlt?» Mit folgender unbedachter Antwort tappte die neue Bundesrätin ins erste Fettnäpfchen: «Die Appenzeller wissen vielleicht nicht einmal, dass es eine Bundesratswahl gegeben hat.»

Vielleicht erkannte sie nach dieser Aussage, dass sie mit dieser Antwort zu weit gegangen ist und fügte bei: «Also zumeist nicht alle.» Doch mit dem Nachsatz konnte sie den Fuss nicht mehr aus dem Fettnapf ziehen. Der Schaden war angerichtet. Viele Appenzeller fühlten sich vor den Kopf gestossen. Nationalrat David Zubenbühler vermutete: «Wahrscheinlich hat ihr Mund schneller gesprochen, als ihr Hirn gedacht hat. Wir Appenzeller sind keine Hinterwäldler.»

Mir geht es nicht darum, diesen Patzer der neuen Bundesrätin zu dramatisieren. Baume-Schneider hat in der Öffentlichkeit ein zu grosses Vertrauenspolster. Es ging mir aber darum, bewusst zu machen, wie hilfreich der Grundsatz ist: Gehirn einschalten – dann sprechen. Wer das nicht beherzigt, tappt immer wieder in einen Fettnapf.



Marcus Knill ist Experte für Medienrhetorik, Berater und Autor von rhetorik.ch.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.


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