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Groupie-Journalismus

von René Zeyer

Die «Weltwoche» auf den Spuren der «Schweizer Illustrierte»: «In Trumps Traumschloss» serviert der angeblich intelligente Begleiter beim Tischgespräch diese Woche als Titelstory. Auslandchef Urs Gehriger war zwei Tage im «exklusiven Klub». Laut «Weltwoche» speiste er am Tisch neben dem Präsidenten und spielte direkt hinter ihm Golf. Journalisten sind sonst in Mar-a-Lago unerwünscht. 

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Sehen wir es positiv: Die «Weltwoche» kann auch säuseln. Der Journalist fährt im «Rolls-Royce-Cabriolet» vor, «gleitet» dabei «durch das von Engeln flankierte Hauptportal» und parkiert vor der «Palasttür». Und gerät sofort ins verzückte Schwärmen: «Trumps Reich heisst Mar-a-Lago. Vier Silben gehauchte Sinnlichkeit.» Beeindruckt bemerkt er, dass man hier «im selben Pool schwimmen wie Donald Trump Jr., im selben Restaurant wie Ivanka dinieren» könne. Für ihn offenbar ein erhebender Gedanke. Aber damit nicht genug, hier mische sich Präsident Trump leutselig unter die Gäste, «schüttelt Hände und klopft auf Schultern».

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«Hoher Besuch» wird erwartet, vermeldet der Gesellschaftsreporter ehrfürchtig, und dann ist er da, der Besuch. Und Trump. Aber vor allem Melania. Sie «entzückt die Gäste mit ihrem weiss-blau gestreiften Sommerkleid, das sich hauteng an ihren grazilen Oberkörper schmiegt und ab der Hüfte bei jedem Schritt luftig um ihre Beine wogt.» Sprachlich nicht ganz ausgewogen, aber Bewunderung macht häufig unbeholfen.

So geht es über sechs Seiten weiter, illustriert mit Fotos von einem dermassen üblen Kitsch, dass man sich fragt, wie man das selbst mit dem schlechtesten Geschmack und der finstersten Absicht hinkriegt. «Betört wandert das Auge», raspelt die Bildlegende Süssholz, das Foto zeige das «Wohnzimmer und Herzstück des Palastes». Nein, verstört wandert das Auge über eine Folterlandschaft für Ästheten. «Ornament und Verbrechen» fällt einem spontan ein, hier ist Ornament tatsächlich ein Verbrechen.

Journalisten haben im schlechtesten Fall etwas mit Bankern gemeinsam: Sie bewegen sich manchmal in den Kreisen der Schönen und Reichen und ganz schön Reichen, aber eigentlich gehören sie nicht dazu und sitzen nur geduldet am reich gedeckten Tisch. Dass der Geduldete dem Gastgeber dabei nicht in die goldene Suppenschale spuckt, gebietet der Anstand. Dass er in Lobhudeleien ausbricht, die dem goldüberkrusteten Primitivgeschmack Trumps in nichts nachstehen, ist aber beunruhigend. Dass er den Hausherrn gleich auch noch gegen üble Nachrede in Schutz nimmt, ist zu viel des Schlechten. Natürlich, auch hier herrschen anonyme Quellen, will kein Klubmitglied den eigenen Namen in der Presse lesen. Also beschwert man sich anonym darüber, dass über den Klub «eine Menge Mist geschrieben werde».

Also genauer vom Besitzer dieses Monuments der nicht mal von einem arabischen Potentaten steigerbaren Masslosigkeit behaupten fehlgeleitete Neider, «dass der Präsident hier Steuergelder verschwende oder dass er bloss faulenze. Zwar habe Trump hier kein Büro, was aber nicht heisse, dass er nicht arbeite. Der Präsident denke und entscheide dauernd.» Was er sich so denkt, wollen wir lieber nicht genauer wissen. Wie er ohne Büro arbeitet, weiss Gehriger, «von hier aus liess er letztes Jahr Syrien bombardieren». Das scheint verständlich, das Augenflimmern, das Kopfweh und der Brechreiz, den diese Umgebung auslöst, ruft nach drastischen Massnahmen. Entweder ist man versucht, das Kitsch-Schloss in die Luft zu sprengen, oder man bombardiert halt mal einen Wüstenstaat.

Von seiner eigenen Ehrfurcht überwältigt, lässt der Journalist seine Hofberichterstattung mit unfreiwilliger Ironie ausklingen. In der ehemaligen Bibliothek («Trump hat sie in eine Bar umfunktioniert») hängt «das wohl berühmteste Porträtgemälde Trumps: «Der Visionär». Es zeigt den jungen Trump, jupiterhaft, in schneeweissem Tennisanzug vor apokalyptisch leuchtendem Hintergrund. Sein zukünftiger Erfolg ist ihm ins Gesicht gepinselt.» Jupiterhaft, erfolgsgepinselt, also echt jetzt?

Die Internet-Verkaufsplattform Siroop wird demnächst eingestellt. Wir werden ihre Werbung, in der Menschen und Gegenstände mit klebrigem Sirup überschüttet werden, vermissen. Aber immerhin, Gehriger ist es gelungen, diesem Vorgang ein schriftliches Monument zu setzen. Man wundert sich nur, dass aus der «Weltwoche» kein klebriger, zuckersüsser rosa Saft raustropft, wenn man sie schüttelt, weil es einen schüttelt.



René Zeyer ist Inhaber von Zeyer Kommunikation in Zürich. Er ist Publizist (BaZ, «Sonntagszeitung», «Weltwoche», NZZ) und Bestsellerautor.

Der Autor vertritt seine eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.


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