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Infantinos Ego-Schau

von Matthias Ackeret

Dank seiner umstrittenen Rede zur WM-Eröffnung in Katar erlangte Fifa-Boss Gianni Infantino den Status einer Weltberühmtheit. Dass er für sein Bekenntnis aber, wonach er sich als Katari und Homosexueller fühle, hierzulande noch mehr publizistische Gülle abbekam als sein Vorgänger Sepp Blatter während seiner ganzen Karriere, erstaunt doch.

So titelte Bild: «Heuchler, Verräter, Schurke»; selbst für deutsche «Moralbomber» – Zitat Spiegel – eine harsche Wortwahl. Doch Aufmerksamkeit zu generieren, ist selten schmerzlos, dies erfuhr auch Elon Musk nach dem Kauf von Twitter und Thomas Gottschalk nach seinem stark kritisierten «Wetten, dass..?»-Auftritt. Zwar musste dieser weniger Häme einstecken als Infantino, hatte dafür auch weniger Publikum und wurde – wie aus der Rede zu erfahren war – zudem nicht wegen seiner roten Haare und Sommersprossen ausgegrenzt wie Klein-Gianni im Wallis.

Bei Gottschalk sind die Haare immer noch blond, bei Infantino mittlerweile ganz weg. Je länger die WM dauert – und auch der fussballerische Erfolg eintritt –, desto geringer dürfte aber das Fifa- und auch Infantino-Bashing werden. Das Fressen kommt von der Moral, wusste bereits Brecht. Bei sportlichem Erfolg dürften die gleichen Gesetzmässigkeiten gelten. Gianni Infantino weiss dies bestimmt.

Ob er seine berühmte Rede spontan schrieb oder einen PR-Berater benötigte, werden wir wohl nie erfahren. Diese WM, lautete wohl die Message seiner Ego-Schau, sei eine Veranstaltung der Aussenseiter. Zumindest publikumsmässig vor Ort könnte dies stimmen. Vielleicht orientierte sich Infantino bei seiner Rede auch an John F. Kennedy, der kurzfristig zum Berliner mutierte, oder seinem Vorgänger Sepp Blatter, der unlängst einen Einblick in sein Innerstes gab: «Je suis le président, et je reste le président.» Infantino gibt sich bescheidener: Seit vorletzter Woche wissen wir, dass er sich eigentlich nur als Wanderarbeiter fühle.


Matthias Ackeret ist Verleger und Chefredaktor von persönlich.


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