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Irma, Kuba, Nordkorea und die Medien

von René Zeyer

Noch sind die Schäden nicht abschätzbar, die Wirbelsturm Irma in der Karibik und in Florida angerichtet hat. Es ist aber unbestreitbar, dass, relativ zur Bevölkerung und der Wirtschaftsleistung, die grössten Schäden auf Kuba entstanden. Gleichzeitig funktionierte dort der Zivilschutz exemplarisch. Mehr als 1,5 Millionen Kubaner wurden vorsorglich evakuiert. Es sind keine Verluste an Menschenleben zu beklagen. Das war auch letztes Jahr so, als der Wirbelsturm Matthew auf Haiti mehr als 1000 Tote forderte – auf Kuba null.

Wäre doch für die Mainstream-Medien eine Gelegenheit, nicht nur über jede umgefallene Palme in Florida, Plünderungen und Stromausfälle oder Tote zu berichten, sondern die Hintergründe des Sonderfalls Kuba auszuleuchten. Tun sie aber nicht. Dagegen veröffentlicht die als rechtspopulistische Blocher-Blatt verschriene «Basler Zeitung» einen mit viel Zusatzinformationen angereicherten Artikel, der mit dem lobenden Satz endet: «Das soll den Kubanern erst einmal einer nachmachen.»

Dass er aus meiner Feder stammt, tut hier nichts zur Sache, mir ist Eigenlob fremd. Sache ist aber, dass im zunehmenden Einheitsbrei der grossen Medienhäuser in der Schweiz – in erster Linie aus Kostengründen und wegen mangelnden Ressourcen – in «Nachrichten-Tickern» Agenturmeldungen serviert werden. Der «Blick» bemühte sich immerhin, ein paar in Florida lebenden Schweizern nachzutelefonieren und kümmert sich auch rührend um das Schicksal vom Hurrikan Irma betroffener Tiere. Da hätte eigentlich die Meldung gut dazugepasst, dass auf Kuba so nebenbei sechs Delfine per Helikopter aus einem Aquarium, das im Pfad des Wirbelsturms lag, in Sicherheit gebracht wurden.

Ein zweiter Mosaikstein. Ich kenne per Zufall den wohl einzigen Schweizer, der viele Jahre als kapitalistischer Geschäftsmann in Nordkorea lebte und eine zumindest interessante Meinung als Insider zur Atomkrise hat. Ich interviewte ihn und bot das Gespräch flächendeckend der Schweizer Sonntagspresse an. Keine Reaktion oder kein Interesse. Das führt mich einmal mehr zu Schlussfolgerung, dass bei allem Gejammer über wegbrechende Inserateeinnahmen und dadurch nötige Sparmassnahmen das aktuelle Elend der Massenmedien durchaus auch selbstverschuldet ist.

Der Leser verträgt vieles. Wer ihn aber brandschwarz anlügt, dass die Ausdünnung der Redaktionen, ihre Zusammenlegung und Sparmassnahmen aller Ort nichts daran ändere, dass Content King sei, Qualitätsjournalismus noch nie so wichtig wie heute, der verspielt absichtlich seine Reputation, seine Glaubwürdigkeit. Damit ist nun in keiner Weise gemeint, dass ein fleissiger Abdruck von Artikeln von Zeyer die Lösung wäre. Aber da die Wahrheit konkret ist, muss ich mit eigenen Beispielen arbeiten. Und nostalgisch daran erinnern, dass in den guten alten Zeiten des Schweizer Journalismus mehrere Reporterteams in den letzten Fliegern gesessen wären, die noch nach Florida oder Havanna abhoben. Denn genauso, wie den Leser das Lokale interessiert, möchte er auch gerne bei grossen Naturkatastrophen über Schweizer Aspekte informiert werden. So funktioniert halt der Mensch. Aber selbst für diese einfache Erkenntnis sind die hochbezahlten Medienmanager zu blöd.

René Zeyer ist Inhaber von Zeyer Kommunikation in Zürich. Er ist Publizist (BaZ, «Sonntagszeitung», «Weltwoche», NZZ) und Bestsellerautor.

Der Autor vertritt seine eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.


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