Dieser Tage sind die Schweizer Leitmedien voll von Berichterstattung rund um 50 Jahre Frauenstimmrecht: Der Tagi vom Samstag feierte auf drei Seiten die «Heldinnen unserer Geschichte». Die NZZ am Sonntag behandelte im Teil 4 einer Gleichstellungs-Serie die Suche nach mehr Verwaltungsrätinnen für die Schweizer Wirtschaft («Gesucht: 114 Frauen für die oberste Etage in Grossfirmen»). Der SonntagsBlick publizierte gestern ein umfassendes Magazin («Endlich selbstverständlich: 50 Jahre Frauenstimmrecht – was geht, was noch gehen muss»). Die SonntagsZeitung porträtierte die beste Schachspielerin der Schweiz (inspiriert von der Netflix-Serie «The Queen’s Gambit») und räumte den Kultur-Bund für Frauen frei. Und die aktuelle Annabelle fragt sich kämpferisch: «50 Jahre Frauenstimmrecht – was gibt es da zu feiern?» und listet die 7 Erbsünden auf, welche die Schweiz seit 1971 nun endlich angehen müsse. Man kommt nicht mehr an ihr vorbei, der Frauenfrage.
Die Zukunft wird vielleicht (hoffentlich!) nicht nur weiblich, wie so gerne auf T-Shirts und Social Media vermittelt wird. Aber sie wird sicher weiblicher: Sie wird ausgeglichener, «equal», um den meistgenutzten Begriff zum Thema zu verwenden.
«Es kommt ein grosser Veränderungsdruck auf. Und dem können sich Unternehmen und Organisationen nicht mehr lange entziehen»
Mehr als 50 Prozent der Schweizer Bevölkerung sind Frauen. 2019 waren 53,6 Prozent der Studienanfänger an Universitäten weiblich. Doch nur 23 Prozent der Verwaltungsräte sind Frauen. In den Geschäftsleitungen der hundert grössten Unternehmen in der Schweiz ist der Frauenanteil gemäss Schilling Report 2020 gerade mal auf 10 Prozent gestiegen. Es kommt ein grosser Veränderungsdruck auf. Und dem können sich Unternehmen und Organisationen nicht mehr lange entziehen. Davon bin ich überzeugt. Besser, Sie packen den Stier bei den Hörnern.
Man muss als Unternehmen Stellung beziehen in der Frauen- und Gleichstellungsfrage. Erstens, um als potenzieller Arbeitgeber auch weibliche Talente anzuziehen, diese binden, fördern und entwickeln zu können. Zweitens, um Frauen dank einer bewusst frauenfreundlichen Haltung als Konsumentinnen ansprechen und erreichen zu können. Das kann insofern wichtig sein, weil Frauen bis zu 80 Prozent der Kaufentscheide in einem Haushalt treffen. Und drittens, weil das Thema einfach relevant und, ehrlich gesagt, längst überfällig ist. Falls Sie daran zweifeln, dann lade ich Sie ein zu recherchieren, mit wie viel Hoffnung, Stolz und Identifikation Kamala Harris vergangene Woche in den sozialen Medien von Frauen gefeiert wurde. Man hatte wirklich einen Kloss im Hals. Mit Verlaub, meine Herren, die das hier lesen: Wer nicht in dieser «Frauen-Bubble» lebt (und das tun sehr viele Entscheider qua Geschlecht und Algorithmus nicht), der erlebt diese Euphorie nur am Rande.
Stellen Sie sich für einen Moment vor, Ihre Organisation hätte Zugang zu dieser Euphorie, könnte daran anknüpfen, Hoffnung, Stolz sowie Identifikation in der weiblichen Hälfte der Bevölkerung auslösen und mit Ihrem Unternehmen, Ihrer Marke verknüpfen. Da reden wir über mehr als «nur» gesteigerte Imagewerte, sondern auch über Share of Voice und Share of Wallet.
«Man muss als Unternehmen Stellung beziehen in der Frauen- und Gleichstellungsfrage»
Doch jetzt kommt das grosse Aber: Kaum eine Firma oder Organisation in der Schweiz traut sich, in der Frauenfrage aktiv Stellung zu beziehen und diese auch zu kommunizieren. Das ist eine der ungenutztesten Differenzierungschancen unserer Zeit. Wo oder wann passiert das sonst, bei einem solchen «trending Topic»?
Wenn Sie einen Beweis dafür brauchen, dann beschaffen Sie sich die in der Einleitung erwähnten Publikationen, blättern Sie diese sorgfältig durch und schauen Sie, wie viele Unternehmen den Moment nutzen, um sich mit einer starken Aussage zu Frauenförderung oder Gleichstellung, zum Beispiel via Werbung, in Stellung zu bringen. Das Feld liegt praktisch brach, von einigen wenigen Pionieren abgesehen.
Als Strategin frage ich mich natürlich auch, warum dieses Feld noch praktisch brach liegt und niemand sozusagen der «Feminismus-Winkelried» sein möchte. Ich vermute einen der folgenden Gründe:
Nutzen Sie diese Differenzierungschance aus! Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt dafür.
Sind Sie interessiert, wissen aber nicht, wo beginnen? Gerne gebe ich Ihnen nachfolgend fünf Anregungen:
Regula Bührer Fecker ist Strategin von Rod Kommunikation, zweifache Werberin des Jahres.
Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.