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Journalistische Nahtoderfahrung

von Matthias Ackeret

Für Journalisten war es eine harte Woche. Am Dienstag traf der schreckliche Kim Jong-un den noch schrecklicheren Donald Trump, am Donnerstag eröffnete der ungeliebte Wladimir Putin die Fussballweltmeisterschaft. Willkommen im publizistischen Gruselkabinett.

Journalismus, so lehrt man, ist das Abbild der Wirklichkeit. Oder wie es der legendäre Rudolf Augstein formulierte: Schreiben, was ist. Aber was passiert, wenn die Wirklichkeit rebelliert und die Herren Trump und Putin etwas Sinnvolles unternehmen? «Me muess halt rede mitenand», ist immerhin die Devise jedes Familientherapeuten. Bei Putin und Trump wird alles komplizierter.

Die ganze Berichterstattung wird zur journalistischen Nahtoderfahrung: Was soll man schreiben, wenn die Fussball-WM zu einem neuen Sommermärchen wird und Trumps Friedensbemühungen wirklich Früchte tragen? Bei zweitem war für den «Spiegel» bereits kurz nach dem Handschlag klar: «No big deal». Und CNN nörgelte schon am Dienstagabend, dass die nordkoreanischen Atomsprengköpfe noch nicht verschrottet seien. Und überhaupt sei ja alles überbewertet; in Korea habe es eigentlich nie kriegerische Spannungen gegeben.

Hätte Obama Kim getroffen, kein Problem: er hätte den Friedensnobelpreis zum zweiten Mal bekommen. Mit einem kleinen Problem: alle Ozeane dieser Erde gäben nicht das Wasser her, um Obama gerecht zu werden, damit er rüber laufen könnte.

In einem sind sich aber alle einig: das Treffen von Singapur war ein historisches Ereignis. Und was zeichnet ein solches – ein bisschen boshaft formuliert – aus? Fast alle TV-Sender berichten live darüber. Ausser dem Schweizer Fernsehen.


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