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Kommunikatives Versagen ist teuer

von Tanja Hollenstein

Die Credit Suisse reiht Skandal an Skandal, bis sie untergeht. Adidas zieht mit einem Fehltritt nach dem anderen heftige Kritik auf sich. VW verursacht mit seinem Dieselskandal das grösste Debakel seiner Geschichte. Krisen kosten Vertrauen, Kunden und damit vor allem Kapital.

Ursprung solcher Krisen ist zumeist das Vertuschen eigener Fehler, des Fehlverhaltens und letztlich des Versagens von Managements. Damit geht häufig übertriebener Gewinnfokus oder Gier einher, verbunden mit Selbstüberschätzung und übersteigerter Risikobereitschaft. Hinzu kommen strategische Fehlentscheidungen sowie mangelnde Früherkennung aufkommender Probleme.

Kommunikatives Vollversagen

Die Credit Suisse ist der typische Fall von Selbstüberschätzung, Arroganz und Missmanagement. Jahrzehntelang stand die Bank für Stabilität und Sicherheit. Doch eine lange Liste von Skandalen führte zum Vertrauensverlust von Aktionär:innen und Kund:innen, die schlussendlich ihre Gelder von der Bank abgezogen und sie hiermit zum Untergang brachten. Das Management-Team war nicht in der Lage, seine «Rettungsbemühungen» überzeugend zu vermitteln und Vertrauen wieder herzustellen.

Es gelang nicht, weil die Glaubwürdigkeit fehlte. Denn Glaubwürdigkeit entsteht nur durch entschlossenes Handeln und eine ehrliche, konsistente Kommunikation, mit der dieses Handeln vermittelt wird – den Aktionär:innen, der Öffentlichkeit, vor allem jedoch den Kundinnen und Kunden sowie den verunsicherten Mitarbeitenden gegenüber. Doch genau das war die grosse Schwäche der CS-Manager. Kommunikation und überzeugende Handlungen fehlten vollständig. Sie gingen auf Tauchstation, wählten also die schlechteste aller Optionen in einer Krise.

Typischerweise mangelt es in vielen Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten an Kommunikationsexpertise und somit an Kenntnissen über Markt und Kunden sowie über soziokulturelle Entwicklungen. Immer wieder versagen Managements, wenn es darum geht, Unternehmen rechtzeitig auf sich ändernde gesellschaftliche Verhältnisse auszurichten.

Es ist die Entfernung vom Alltag der Menschen, aus der Fehleinschätzungen von Managements resultieren. Sie verstehen deshalb nicht, weshalb sich das informierte, kritische Publikum von ihnen abwendet und unterschätzen gleichzeitig die Dynamik dieser Bewegung. Ein Tweet genügt heute, um Unternehmen in die Krise oder gar den Untergang zu treiben.

In einer Zeit, in der die sozialen Gefüge auseinanderbrechen und die Menschen mit immer mehr Unsicherheiten kämpfen, sind Unternehmen besonders gefordert, sich zu gesellschaftlich-relevanten Themen zu positionieren und Verantwortung zu übernehmen.

Kostspielige Ignoranz

Adidas liefert ein Beispiel für die Notwendigkeit, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Als das Unternehmen während der Coronakrise die Mietzahlungen für seine Shops stoppen wollte, musste es nach heftiger Kritik aus der Öffentlichkeit zurückrudern.

Aufgrund des erneuten öffentlichen Drucks trennte sich Adidas im vergangenen Herbst von dem Rapper Kanye West, der mit antisemitischen Äusserungen auffällig geworden war. In der Folge steuert Adidas auf den grössten Verlust seit 30 Jahren hin.

Als hätte man nichts aus diesen Vorgängen gelernt, klagt Adidas gegen die Black Lives Matter Bewegung wegen einer angeblichen Markenrechtsverletzung. Mit dem Rückzug der Klage nach einem Shitstorm konnten die Wogen für einen Moment geglättet werden. Zwar mag die Klage (marken)rechtlich korrekt gewesen sein. Gleichwohl steht sie im krassen Widerspruch mit den aktuellen gesellschaftlichen, sozialen Anforderungen. Letztlich dürfte der Image-Schaden noch für einige Zeit Spuren in der Bilanz hinterlassen.

Im Fall von Adidas verband sich die Selbstüberschätzung des Managements mit ungenügender strategischer Ausrichtung der Unternehmens-Kommunikation und mangelnder Kooperation zwischen Kommunikations- und Rechtsabteilung. Sie hätten gemeinsam adäquate Einschätzungen der einzelnen Situationen vornehmen können.

Teure Reparaturarbeiten

Die VW-Abgasaffäre ist der wohl grösste Industrieskandal der deutschen Geschichte. Reputation und Aktienkurs haben nach dem Skandal massiv eingebüsst und kostete das Unternehmen bislang mehr als 33 Milliarden Euro. Wie im Fall der CS wurden Alarmsignale ignoriert und nachdem die Manipulationen bekannt waren, die Kommunikation nur zögerlich aufgenommen.

Dennoch zeigt sich bei VW, warum entschlossenes Handeln so wichtig ist. Der damalige Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn sowie neun Mitglieder aus dem Management mussten zurücktreten und Unternehmensbereiche wurden neu aufgestellt. Auch wenn die kostspieligen juristischen Auseinandersetzungen nicht frei von Kritik blieben, mühte sich das Unternehmen, den Skandal schnellstmöglich aus dem Fokus der Medien zu bekommen. Entscheidend hierfür war ein öffentlich bekundetes Mea Culpa verbunden mit dem Anspruch künftiger ethischer Verhaltenweise.

Die Kraft einer über Dekaden stabil aufgebauten Reputation half mit, den Dieselskandal in den Hintergrund zu rücken und wieder mit der Entwicklung von Automobilen zu punkten, welche technisch überzeugen und emotional ansprechen.

Wie bedeutsam es jedoch ist, die Kommunikation und damit das Image immer wieder zu justierten zeigt sich mit den Anforderungen der zukünftigen, emissionsfreien Mobilität, in welcher VW noch nicht vollends überzeugt. Auch die Präsenz von VW in China steht zunehmend in der Kritik, erfordert also plausible Antworten des Managements.

Nichts gelernt

Wie diese Beispiele und verschiedene Studien zeigen, haben Kommunikation und daraus folgend die Reputation massgeblichen Einfluss auf den Marktwert (bis zu 60 Prozent) und Umsatz von Unternehmen (rund ein Viertel). Doch obwohl professionelle Kommunikation Grundvoraussetzung der Reputation und somit des Erfolgs von Unternehmen ist, wird ihr Wert noch immer unterschätzt und kaum strategisch berücksichtigt.

So erstaunen die kommunikativen Desaster immer wieder, mit denen Managements ihren Unternehmen Schaden zufügen. Einerseits liegt es daran, dass kaum ein Unternehmen Kommunikations-Expertinnen oder -Experten im Vorstand hat. Andererseits verzichten Manager und Managerinnen oftmals auf die Beratung externer, unabhängiger Fachleute. Ein kostspieliger Fehler, der nicht selten den Job kostet.

Im Endeffekt fehlt in den meisten Unternehmen ein mit professioneller Kommunikation verbundenes, institutionalisiertes Risikomanagement zum Schutz ihrer Reputation.

Vertrauen als strategischer Erfolgsfaktor

Erfolgreiche Unternehmen setzen sich konsequent mit der Relevanz der Reputation auseinander. Dazu haben sie einen adäquaten Governance-Rahmen, systematische Strukturen für das Risikomanagement sowie ein umfassendes Bewusstsein über die Ansprüche der Stakeholder. So sind sie in der Lage, rechtzeitig aufkommende Risiken und Auswirkungen zu erkennen und zu bewältigen. Nicht zuletzt braucht es aber eine vernünftige «Too big to fail»-Regelung. Es kann nicht sein, dass die Steuerzahler für die Verfehlungen eines Managements einstehen müssen.

Fazit: Die Anforderungen der Gesellschaft nehmen weiter zu, die Herausforderungen in der geopolitischen Lage ebenfalls. Wer es verpasst, Vertrauen zu schaffen und nicht in der Lage ist, flexibel auf Veränderungen zu reagieren, wird den Anschluss verpassen. Manager sollten daher Reputation als strategischen Imperativ begreifen – im Sinne der eigenen Reputation und der Gesellschaft.

Die Erfolgsfaktoren von Krisenmanagement: Vorbeugen und Vorbereiten.

  • Frühwarnsysteme und Risikomanagement institutionalisieren;
  • Stakeholder und ihre Ansprüche verstehen;
  • CEO und Leadership-Team stehen für das Unternehmen in der Öffentlichkeit ein;
  • Authentizität und Transparenz in Verhalten und Kommunikation wahren;
  • Recht und Kommunikation kooperieren eng.



Tanja Hollenstein, Master in Business Communications, ist Partnerin und Managing Director des Beratungsunternehmens Riverside.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.


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