Im landläufigen Sinn verstehen wir unter Kriegsrhetorik aggressive Rhetorik, mit der direkt oder indirekt gedroht oder Angst eingejagt wird. Politiker greifen gerne zu martialischer Rhetorik, weil sie Aufmerksamkeit schafft. Zu den eher amüsanten Beispielen zählt die Indianer-Parabel von Peer Steinbrück.
In der BZ konnten wir die Meinung von Politologen und Konfliktforschern über die Kriegsrhetorik vor dem Angriff Putins lesen. Während die Amerikaner und die Briten stärker auf Kriegsrhetorik setzen, würden Deutschland und Frankreich eher auf Diplomatie pochen. Putin verfolge die Strategie der Drohung schon länger.
Im Nachhinein erstaunte folgende These eines Politologen: Putin habe nicht die Absicht, die Ukraine zu überfallen. Der Aufmarsch bleibe nur eine Drohgebärde, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Durch die Kriegsrhetorik von aussen könnte jedoch Putin zu einer militärischen Aktion getrieben werden. Ein Krieg passe nicht zu Wladimir Putin. Wenn Russland die Ukraine angreife, verspiele der Präsident alles, was er die letzten 20 Jahre aufgebaut habe. Das könne eigentlich nicht sein Ziel sein.
Lars-Erik Cederman, Politologe ETH Zürich, vertrat die Meinung, es sei schwierig, eine klare Antwort zu finden, welche rhetorische Strategie bei der Nato-Ost-Erweiterung momentan die beste wäre. Die Meinung dominierte. Verhandeln, verhandeln, verhandeln. Im Glauben: Solange geredet wird, schweigen die Waffen.
Der Angriffskrieg erwischte dann aber alle auf dem linken Fuss. Kriegsrhetorik war in Europa in den letzten Jahrzehnten nichts Neues. Aber an einen wirklichen Krieg hat niemand mehr glauben wollen.
Marcus Knill ist Experte für Medienrhetorik, Coach, Dozent und Autor von rhetorik.ch.
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