Unter denkbar schlechten Vorzeichen öffnete die Baselworld, die weltweit grösste Uhrenmesse, am Donnerstag ihre Tore. Die Exportzahlen der Schweizer Uhrenindustrie befinden sich auf dem tiefsten Stand seit 2009. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Luxusuhren gelten in China als Inbegriff von Korruption, chinesische Touristen kaufen in Europa weniger ein, die russischen Kunden fallen fast ganz aus und die Wirtschaftskrise in vielen europäischen Ländern tut ihr übriges. So schön und verführerisch Luxus ist, seine Schattenseite besteht in seiner Überflüssigkeit. Das bekommt die Uhrenindustrie in unsicheren Zeiten besonders zu spüren.
Lichtblicke am Horizont
Schon am ersten Messetag steht fest: Die Superstars der Baselworld 2017 sind zwei Spitzenmodelle von zwei Spitzenmarken: Die Neuauflage zum 50. Jubiläum der «Sea-Dweller» von Rolex und die Jubiläumsuhr zum 60. Geburtstag der «Omega Speedmaster». Beide Modelle setzen auf Bewährtes. Ein Konzept, das die Luxusuhrenindustrie aus der Krise führen könnte.
Bekanntes bindet und fasziniert
In unsicheren Zeiten sparen die Menschen nicht nur, sondern sie setzen auf Bewährtes. Experimente und allzu grosse Risiken sind ihnen dann fremd. Jetzt zählt die wärmende Kraft der Nostalgie, die Erinnerung an Zeiten, in denen die Zukunft verheissungsvoll war und keine Bedrohung darstellte. Jetzt entlädt das Bewährte seine Bindungs- und Faszinationsenergie. Das sollten die Uhrenhersteller nutzen.
Die Kraft der Nostalgie
Ob Omega oder Rolex, beide Uhrenmodelle haben einen starken Nährboden der ihnen Aufmerksamkeit beschert und Beständigkeit suggeriert – ihr 50. beziehungsweise 60. Jubiläum. Beide Modelle gehören zu gut gepflegten und verlässlichen Schweizer Uhrenmarken. Beide sind im Vergleich zu den Originalen nur minimal oder überhaupt nicht verändert und moderat bzw. geradezu günstig bepreist. Diese Kombination zieht: Die Wartelisten der Konzessionäre decken jetzt schon die Produktion der nächsten Jahre komplett ab.
Mit Rückbesinnung zum Erfolg
Marken ziehen ihre Anziehungskraft vor allem aus ihrer Vergangenheit, aus dem, was war, nicht aus dem was ist oder sein wird. Das wird in der Markenführung häufig vernachlässigt. Die Menschen orientieren sich bei ihrer Kaufentscheidung viel stärker an ihrer eigenen Konsumbiografie und an jener ihrer Peergroup, als an dem, was ihnen als Innovation angepriesen wird. Gut geführte Marken spielen deshalb ganz bewusst mit den Erfahrungen und Erlebnissen, die in den Köpfen ihrer Kunden gespeichert sind, und kombinieren diese mal mehr, mal weniger mit ihren neusten technischen Errungenschaften.
Klaus-Dieter Koch ist Managing Partner bei Brand Trust.
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Leuchtturm kurz vor dem Untergang?