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Mit dem Notfallkoffer zur Stelle

von Matthias Ackeret

Die Mitte-Links-Parteien fordern mehr Geld für die SRG. Dies ist zweifelsohne der medienpolitische Knüller dieses Wochenendes. Der Grund: Rückgang der TV-Werbung um jährlich rund 30 Millionen Franken. Für diese Forderung machen sich – gemäss «NZZ am Sonntag» – die beiden SRG-nahen Nationalräte Matthias Aebischer (SP) und Martin Candinas (CVP) stark. Was wenig erstaunt, sind die beiden doch bei jedem Wehwehchen des gebührenfinanzierten Senders sofort mit dem Notfallkoffer zur Stelle. Die Begründung für eine allfällige Konzessionserhöhung: «der Service public». Dies überrascht wenig, sind die beiden Worte doch die Allzweckwaffe von Leutschenbach, um alles durchzubringen.

Auf einen kurzen Nenner gebracht: Dieses Begehren ist nicht nur dreist, sondern zeugt von wenig politischer Sensibilität. Da ist sie wieder, die alte «Nur-die-SRG-kann-Journalismus-Haltung», die die neuen Chefs Gilles Marchand und Nathalie Wappler in den letzten Monaten wohltuend vermieden haben. In einem Umfeld, in welchem die Verlagshäuser selber mit massivsten Inserate-Einbrüchen zu kämpfen haben und jeder zweite Werbefranken zu den amerikanischen Technologiemultis Google und Facebook abfliesst, dürfte das Erbarmen und das Verständnis für die SRG-Probleme relativ klein sein. Private Medienanbieter können auch nicht einfach ihre Abo- und Werbepreise erhöhen, ohne ein grosses unternehmerisches Risiko einzugehen. Im Vorfeld der No-Billag-Abstimmung hat die damalige Medienministerin Doris Leuthard den griffigen Slogan «Jeden Tag einen Franken für die SRG» in den Umlauf gebracht und damit das vieldiskutierte Verdikt haushoch gewonnen. Zu Recht, gleichzeitig war es auch ein Signal an die SRG-kritischeren Kreise, dass die leidige Konzessionsdiskussion für längere Zeit beendet sei. Doch der gestrige Vorstoss zeigt, ein Wort ist nicht immer ein Wort. Politisch gedacht: Mit solchen Forderungen provoziert man vor allem die SRG-Gegner, die bereits im Stillen über eine Halbierungsinitiative nachdenken, die eine deutliche Senkung der SRG-Gebühren verlangt.

Der massive Rückgang der TV-Werbung liegt zweifelsohne im Branchentrend und ist bedauerlich. Trotzdem könnten sich die SRG-Medienpolitiker auch einmal die Frage stellen, warum man vor fünf Jahren die gutfunktionierende Vermarktungsfirma Publisuisse aufgelöst und in eine gemeinsame Organisation mit Ringier und der Swisscom überführt hat. Und überhaupt: warum betreibt die SRG mit grossem personellen und auch finanziellem Aufwand eine "Online-first"-Strategie, die gar nicht zu ihrem konzessionierten Aufgabenbereich gehört und den privaten Anbietern zusätzlich das Wasser abgräbt?

Aber vielleicht war das Ganze am Ende auch nur ein politscher Versuchsballon, den man geschickt in der «NZZ am Sonntag» lancierte, um die Befindlichkeit in der Bevölkerung auszuloten. Wenn nicht, wäre es sicher kein Nachteil, wenn die SRG ihre Lobbyisten im Parlament «zurückpfeifen» würde. Der Sache zuliebe.



Matthias Ackeret ist Verleger und Chefredaktor von «persönlich».


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