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Niemand schert sich um deine Produkte

von Alberto Jaen

Wenn du nicht lernst, dein Zielpublikum zu verstehen, wird es dich auch nicht verstehen. Vielleicht hört sich das trivial an, aber dieser Satz beschreibt die vergangenen Jahre in der Markenkommunikation am besten. Es hat nämlich ein natürlicher und eigentlich vorhersehbarer Wandel stattgefunden: weg vom Ich und hin zum Du. Was Unternehmen daher nun wirklich brauchen, ist ein Kulturwandel. Allerdings haben das viele noch nicht erkannt oder wissen schlicht nicht, wie sie es umsetzen können.

Seit vielen Jahren werden Marketing/Sales und Werbung quasi als Synonyme verwendet. Denn in der Vergangenheit konnte man die Verkaufszahlen aufgrund des investierten Werbebudgets mehr oder minder direkt voraussagen. Seit einiger Zeit hat sich das Blatt aber gewendet. Mit nur einem Klick haben wir Zugriff auf ein immenses Angebot an Produkten und Marken. Neuste Studien belegen, dass wir in vielen Grossstädten Europas mittlerweile etwa 6000 Werbebotschaften pro Tag ausgesetzt sind. Die selbstzentrierte Selfie-Kultur, die sich auf das Marketing übertragen hat, und dort die Nabelschau von Marken zelebriert und nonstop unsere Aufmerksamkeit einfordert, ist nun endgültig vorbei: Niemand schuldet euch Aufmerksamkeit, nur weil ihr dafür bezahlt habt. Die Kultur des «Hey, hey, schau mich an!» hat schon lange aufgehört zu funktionieren und wird es auch in Zukunft nicht mehr tun.

Weshalb sollten wir uns auf eine narzisstische Marke einlassen, wenn wir so viel anderes zur Auswahl haben?

Firmen müssen lernen, ihre Konsumenten als freie Individuen zu verstehen, die überhaupt kein Interesse an ihren Produkten haben, sondern sich lediglich für eine Lösung eines spezifischen Problems zu einem spezifischen Zeitpunkt interessieren. Kein Unternehmen möchte das hören, ich weiss. Aber es ist die Wahrheit.

Die Menschen von heute interessieren sich nämlich schlicht nicht für deine Produkte. Deine Konsumenten sind beschäftigt mit ihren eigenen bewegten Leben und haben viel im Kopf – da gibt es kaum Platz für deine neuste Lancierung – mag sie dir auch noch so spannend erscheinen. Was sie suchen, ist eine persönliche Verbindung mit einer Marke, die nicht nur von sich spricht.

Die Konsumenten von heute haben mehr Informationen zur Verfügung denn je und können sich in Sekundenschnelle ein umfassendes Bild eines Unternehmens machen. Und wenn sie sich dafür entscheiden, etwas zu kaufen, dann erwarten sie, dass die Marke eine Persönlichkeit hat und eine Position in Bezug auf das Weltgeschehen einnimmt. Halt einfach das, was man auch bei einem Menschen spannend findet. Und nein, dafür muss man nicht perfekt sein. Das erwarten auch die Konsumenten nicht. Aber die Kommunikation muss über das reine Verkaufen eines Produktes hinausgehen.

Es braucht einfach eine gewisse Verbindlichkeit, eine Ausrichtung, Prinzipien und Werte sowie ein Interesse an der Gesellschaft, in der man Geschäfte betreibt. Denn es ist einfacher, eine Marke zu lieben, wenn die Sympathie auf Gegenseitigkeit beruht: Wenn sie dich respektiert, menschliche Werte vertritt, sich für das Wohlergehen des Planeten und der Gesellschaft einsetzt und nicht nur für den wirtschaftlichen Erfolg steht. 

Genau dann entsteht diese magische Verbindung, die vielen abhandengekommen ist, und plötzlich muss man als Marke nicht mehr schreien, um gehört zu werden. Jetzt reicht es plötzlich, wenn man flüstert, denn das Publikum ist jetzt ganz nah, ist im Einklang mit deinen Werten und sucht proaktiv nach Informationen zu deiner Marke: Es entsteht ein gegenseitiger Respekt und eine Neugier. 

Es lohnt sich, etwas Bescheidenheit und Empathie walten zu lassen, und sich manchmal zu fragen, ob uns die Menschen als Marke vermissen würden, wenn wir morgen nicht mehr hier wären.



Alberto Jaen ist Gründer & Creative Director bei Plus305. Plus305 ist eine Social Impact und Creative Boutique in Zürich, Madrid und Miami.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.


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