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Schwarz und weiss, gut oder böse

von Marcus Knill

Keine Frage, im Interview mit der NZZ am Sonntag vergriff sich der Bundespräsident Berset in der Wortwahl, als er das Verbot für die indirekte Weitergabe von Schweizer Waffen an die Ukraine verteidigte und von einem «Kriegsrausch in gewissen Kreisen» sprach. Aus dieser Geschichte können wir Einiges lernen:

  • Die Wortwahl ist stets zu bedenken. Reden wir so, wie wir es meinen. Unterstellen wir keinen «Kriegsrausch».

  • Es ist immer gefährlich, unklar zu kommunizieren. Niemand weiss, wen Berset mit «gewissen Kreisen» meinte. Aus kommunikativer Sicht ist es immer wichtig, sich konkret und eindeutig auszudrücken. Entscheidend ist lediglich, wie Aussagen ankommen und verstanden werden.


Bersets Aussage zeigt noch etwas anderes: In der Jetztzeit existiert nur noch schwarz und weiss, gut oder böse. Dies zeigte sich bereits bei Corona, jetzt aber auch bei der ganzen Ukraine-Diskussion. Die Frage über Waffenlieferungen an die Ukraine wird nur noch unter dem moralischen Aspekt erläutert. Ich stelle fest, dass missliebige Meinungen stärker gegeisselt werden als früher. Wer sich beispielsweise gegen die Waffenausfuhr an die Ukraine ausspricht, muss mit einem Sturm der Empörung rechnen und wird als «Putin-Versteher» gebrandmarkt.

Es zeigt sich immer mehr, dass Äusserungen gegen «Ansichten, die vorherrschen», an den Pranger gestellt werden. Man ist nicht mehr bereit, eine gegenteilige Meinung zu akzeptieren. Das war bereits bei Covid so. Wer die Gesundheitspolitik zu kritisieren wagte, wurde als «Verschwörungstheoretiker» gebrandmarkt. Demokratie lebt von Meinung und Gegenmeinung. Es besteht heute die Tendenz, dass jedermann, der sich gegen den Mainstream positioniert, mundtot gemacht wird.

Dies zeigte sich bereits bei der Zuger Landamann-Affäre. Nachdem in den Medien lange Zeit vor allem die Sicht von Jolanda Spiess-Hegglin dominierte, wurde das Buch von Michèle Binswanger mit ihrer Recherche aus der Sicht von Markus Hürlimann verboten. Es ist erfreulich, dass dann das Bundesgericht das Ausüben von Zensur gestoppt hat. Damit hat das oberste Gericht die Maulkorbpolitik korrigiert.

Auch bei anderen Themen versucht man, die Gegenpositionen auszugrenzen. Wer es beispielsweise wagt, die Woke-Bewegung zu kritisieren, wird in den sozialen Medien oft mit beleidigenden Kommentaren eingedeckt. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Wer die Woke-Weltanschauung nicht teilt, wird ausgeklammert.

Dasselbe gilt bei der Energieversorgung: Anstatt Vorhaben in der Energieversorgung zu hinterfragen, schweigen viele Politikerinnen und Politiker lieber, weil sie selbst ins Schussfeld der Klimaaktivisten geraten könnten, was ihre Wahl oder Wiederwahl gefährden könnte. Dies gilt bei den «Tabuthemen» Kohle- oder Atomstrom.

Auch bei der Gleichbehandlung intergeschlechtlicher Menschen stelle ich eine zunehmende Verhärtung der Ansichten fest. Seit Mitte September 2020 gibt es sechs Optionen zur Geschlechtereintragung: Weiblich, männlich, inter, divers, offen, keine Angabe. Wer für die traditionelle Aufteilung der Menschen in zwei Geschlechter – männlich und weiblich – eintritt, hat einen schweren Stand. Er wird als rückständig und unflexibel stigmatisiert. Fazit: In allen Lebensbereichen sinkt die Bereitschaft, andere Meinungen anzuhören. Da braucht es Gegensteuer.

Selbstverständlich wurden schon früher andere Meinungen unterdrückt. Aber es war aber wohl noch nie so einfach, diese «Unterdrückung» auch durchzusetzen. Wohl weniger der gewandelten Technik wegen, sondern weil man sich dadurch risikolos als Gutmensch profilieren kann. Bleibt zu hoffen, dass das Pendel bald wieder in die Gegenrichtung ausschlägt und unliebsame Meinung verstärkt wieder toleriert und von den Medien nicht mehr ausgeklammert werden.



Marcus Knill ist Experte für Medienrhetorik, Berater und Autor von rhetorik.ch.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.


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