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Shit zum Muttertag

von Inken Rohweder von Trotha

Das ganze Genderthema kam ja bei mir so auf: langsam. Ich las irgendwann im ADC-Newsletter von Helga und Michael Conrads Stipendium für Frauen in kreativen Führungsposition im deutschsprachigen Raum. Äh, Führungspositionen? Excuse me, die drei hätte man auch direkt anmailen können. Nach langer Zeit als einzige Frau in kreativen Departments Deutscher und Schweizer Agenturen befasste ich mich von da an wirklich mit dem Thema. Im Job I just did my job. Nie fiel mir auf, dass es weiter oben nur Männer-Meetings gab, selten merkte ich, dass meine Buddies auch mal ihre eigene Sprache sprachen. «Die musst du einstellen, die ist heiss» geht eigentlich nicht? Nicht gemerkt!

Ich schwamm mit im Aquarium. Nun bin ich raus und schnappe täglich nach Luft. Ich fange an, zu checken, was nicht rund läuft zwischen Mann und Frau. Man könnte auch sagen, ich werde radikalisiert. Ich lese dazu meistens Harvard-Studien und nie das Buch, das dem Leser beim Wort «radikalisiert» in den Sinn kommen mag. Das übrigens nennt man «bias» – auf Deutsch Voreingenommenheit. Jeder hat das in sich und das ist die gute Nachricht. Man ist tatsächlich normal, wenn man beim Wort Chefarzt an einen Mann denkt.

Nicht normal ist, sich dem ganzen Geschlechter-Dilemma nicht zu stellen und stattdessen den Edeka-Muttertagsspot rauszulassen, dessen beste Botschaft seine Farbe ist. Er ist schwarz-weiss. Nun könnte man sich allein dazu schon die simple Frage stellen: Wollen wir die Welt schwarz-weiss? Heisst das, nun endlich sind mal die Männer «dran»? Nun muss der Mann zum tölpelhaften Loser degradiert werden in einer ungekonnten Möchtegern-Satire über Geschlechterklischees, die dummerweise aber Werbung ist und nicht Satire?

In Bezug auf Geschlechterunterschiede wähle ich dann noch lieber grau und will damit statt etwas schwarz oder weiss zu malen, einen neutralen Grundton für eine gemeinsame Zukunft finden. «Danke, Mami, dass du nicht Papi bist?» Wer hat sich DAS denn aus dem Hirn genudelt?

m/w oder x von heute braucht keine Werbung, die Klischees on air zementiert. Leider sehen wir nicht Dick und Doof, die auf einer Bananenschale ausrutschen. Auch schwarz-weiss, aber irre lustig im Vergleich. Bananen gäbe es doch bei Edeka?

Dort aber sind sind jetzt Dussel-Daddys im Angebot, die ihre Söhne beim Masturbieren stören. WTF? Und alle stehen am Set rum, klopfen sich auf die Schulter (oder hm, naja, tun, was mir dazu jetzt noch einfällt) und sagen sich: Das wird richtig gut, oder was?

Die, die das Muttertagsmonster auf uns losgelassen haben, haben das absichtlich getan. Sie sind vielleicht von gestern aber sicher nicht blöd im klassischen Sinn. Sie wollen mehr Wurst verkaufen über ein paar Millionen Klicks! Sie haben kein Interesse an der Gesellschaft – sie wollen Aufmerksamkeit! So auf die plumpe Art, wie laut auf Hochdeutsch was Beleidigendes brüllen, morgens um 8 im Tram. You know what I mean. Und funktioniert.

Ich bin nicht die Einzige, die von dem Spot Kopfschmerzen kriegt. Depressionen. Burn up (Wutanfall)! In Bezugnahme auf letzteres Symptom empfehle ich folgenden Spot.

Spätestens nach Sekunde 1 merkt man, dass das neue Stipendium von Helga und Michael Conrad (persoenlich.com berichtete) aus kritischer Situation geboren ist: «Ethik in kreativer Führung und Kommunikation in kreativen Unternehmen». Müsste man öfter mal diskutieren.

 

Inken Rohweder von Trotha ist selbstständig als Art & Creative Director. Sie hat das Michael & Helga Conrad Scholarship for Creative Leadership an der Berlin School gewonnen.

Die Autorin vertritt ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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