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Sind die USA ein Failed Brand?

von Klaus-Dieter Koch

Ja, auch Nationen sind Marken. Neben ihren Kennzeichen wie Wappen, Symbolen und natürlich ihren Präsidentinnen oder Präsidenten wirken auch Nationen durch ihre Reputation und ihr Image – und diese werden in erster Linie durch ihre Leistungen, Versprechen und vor allem durch ihre Bedeutungsmuster geprägt.

Die Marke USA erfüllte bislang die Träume und Sehnsüchte der Menschen in vielfältiger Weise: Ein besseres Leben für Auswanderer, unbegrenzte Chancen für Start-ups, der perfekte Urlaub und der berühmte American Way of Life, der mithalf, unzählige damit verknüpfte Konsummarken von Mars bis McDonald's global zu verbreiten. Nicht zu vergessen der Aufstieg der USA zur Heimat der führenden Tech-Konzerne, die unsere Welt gerade so nachhaltig umkrempeln.

Das grosse amerikanische Versprechen des «hier kann jeder alles erreichen» wurde mit der Wahl des ersten schwarzen Präsidenten im Jahr 2008 bewiesen. Barack Obama, der geronnene Traum amerikanischer Wertvorstellungen, der sich wie kein anderer in die Menschen hineinversetzen konnte, dazu noch diese Familie und vor allem diese Frau! Obama, der perfekte Botschafter der Marke USA. So die Reflektion der globalen, aufgeklärten Community.

Irgendwer hat in diesem Traum vergessen über den nächsten Schritt nachzudenken. Unter der strahlenden Oberfläche der Marke USA haben sich vielfältige Probleme und Konflikte angestaut, die den Weg für einen Präsidenten der Unzufriedenen geebnet haben.

Eine starke Fanbase ist die Grundlage jeder erfolgreichen Marke. Trump hat diesen Grundsatz geschickt genutzt. Er wurde zum Spalter, weil er sich konsequent auf die Wünsche und Bedürfnisse seiner Fans konzentriert hat. Alle anderen waren ihm egal, die einende Rolle des US-Präsidenten war ihm fremd, die Wechselwähler haben ihn nicht interessiert – und der Rest der Welt schon gar nicht. Je massiver er diese Strategie gefahren hat, desto erfolgreicher wurde er und hat dabei die nationale Identität der USA tief zerrissen. Unser Bild der Marke USA ist geprägt von den Küsten, den Städten und ihrer dortigen multikulturellen toleranten, aufgeklärten Gesellschaft. Mit seiner «America First»-Politik hat Trump die «forgotten men» im Landesinnern angesprochen und deren nicht selten militante Solidaritätsbekundungen stimuliert. Die Welt hat wahrgenommen, wie die USA zu einem gespaltenen Land wurde und sich in eine Art Neo-Isolationismus begeben hat. Das hat der Attraktivität dieser bis dahin starken Marke stark geschadet.

Ein Blick in den Nation Brand Index macht den Attraktivitätsverlust der Marke USA greifbar. Langjährig auf Platz 1 und 2, sind die USA seit 2017 auf die Ränge 6 und 7 abgestiegen. Im aktuellen Ranking ist das Land sogar auf Platz 10 abgerutscht und vermittelt mit dem aktuellen Wahlschlamassel Züge eines Failed State beziehungsweise Brand.

Marken wachsen immer von innen nach aussen. Biden muss das Land heilen, wie er immer wieder betont, um als Marke wieder strahlen zu können und mithilfe dieser Bewunderung zu alter Stärke zurückzufinden. In seiner Victory Speech erwähnte er denn auch die One Word Equity der USA – die in einem Wort verdichtete Positionierung –, die messerscharf auf den Punkt bringt, was seine Marke ausmacht: Possibilities. Damit bemüht er einen zentralen Bestandteil aus dem Marken-Setup, der in den letzten Jahren arg gelitten hat. Die Fähigkeit, diese Possibilities zu nutzen und anderen zur Verfügung zu stellen, hat Joe Biden auch gleich bewiesen. Mit Kamala Harris hat er nicht nur die erste Vizepräsidentin in der 231-jährigen Geschichte dieses Amtes ausgewählt, sondern auch die erste Person of Color mit eingewanderten Eltern aus Indien und Jamaika. Das grosse Markenversprechen der USA hat sich in dieser «Schicksalswahl» also wieder manifestiert – womit die Welt die Wiedererweckung der USA zum Star-Brand («Stars and Stripes») in absehbarer Zeit erleben dürfte.



Der Markenexperte Klaus-Dieter Koch ist Gründer und Managing Partner der Managementberatung BrandTrust.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 


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