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Uber und der bessere Weg

von Manfred Klemann

Uber, der digitale Dienstleister für die Beförderung von Mensch und Tier und Ware von A nach B – früher nannte man das Taxidienste –, geht an die Börse. Oder – wahrscheinlicher, wenn Sie das lesen – wird an die Börse gegangen sein. Und der Kurs wird sicher in den ersten Wochen leicht steigen, dann fallen.

So war es bei allen diesen «Unicorns» des letzten Jahrzehnts – immer. Und dann, zwei oder auch fünf Jahre später wird Uber statt heute 80 Milliarden Dollar 400 Milliarden wert sein, denn der technologische Vorsprung, den solche digitalen Transportvermittler herausgeholt haben, ist auch mit EU-Gesetzen und dem Glauben an den guten alten Taxiservice – den mit verschmutzten Fahrzeugen und pöbelnden Fahrern – nicht zu stoppen.

Überrascht hat mich letzten Monat, dass eine eher unauffällige deutsche Mobilitätsfirma – nämlich Sixt – den bislang wenig beachteten Sprung in die komplette mobile Welt gewagt hat. Und eine sogar prächtig funktionierende App dazu herausgebracht hat. Es geht also doch. Die Sixt-App erlaubt es, schnell und unkompliziert Fahrzeuge zu mieten, einen Fahrservice mit oder ohne Fahrer von A nach B zu buchen, sogar Fahrzeuge zu teilen und – in den USA zumindest – die Dienste von Lyft, dem Uber-Konkurrenten in den USA, zu nutzen. In Europa funktioniert dieser Dienst nicht, weil die «Neuland-Politiker», getrieben von der Taxi- und der Diesel-Lobby, Sharing-Dienste für Privatleute blockieren. Gestrig, vorgestrig – nein: letztes Jahrtausend, die Ansichten der Entscheider der wichtigsten Industrieländer unseres Kontinents.

Haben Sie auch das Video gesehen, in dem ein Tesla in einem Parkhaus, angeblich aus dem Nichts heraus, in Flammen aufgeht? Das sind die realen Fake-News der Lobbyisten der von arabischen Scheichs (denen ja inzwischen ein Grossteil der europäischen Autoindustrie gehört) und europäischen Verbrennungsmotor-Fantasten bezahlten PR-Maschine. Alles, um dem europäischen Konsumenten noch ein paar Jahre ihre alten Technologien teuer zu verkaufen.

Gleichzeitig fand im April die grösste Automesse der Welt in Schanghai statt, bei der es nur ein Thema gab: E-Mobilität. Und alle Autofirmen, die heute in Europa und teilweise den USA viel Geld bezahlen, um den Verbraucher, solange es geht, an die alten Technologien zu binden, all diese Firmen haben ausschliesslich Konzepte für E-Mobilität vorgestellt. Da China für Renault, Toyota, VW, Daimler, GM, BMW und so weiter der wichtigste ausländische Markt ist, wird dort die Zukunft der Mobilität als unabänderlich und fortschrittlich dargestellt, während man unsere Lungen und Nasen weiterhin mit dem Dunst von Abgasen quält.

«Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf», hatte einst Erich Honecker verkündet. Hätte der alte Esel statt «Sozialismus» das Wort Fortschritt verwendet, wäre es heute ein Kalauer. Und so werden auch die Mobilitätsdienste von Uber, Lyft und den anderen über kurz oder lang in Europa ihren Weg finden. Und es werden leider wieder die Unternehmerinnen und Unternehmer aus dem Silicon Valley sein, die hier unser Geld für ihre Dienstleistungen nach Kalifornien lenken. So wie Google, Facebook, Apple, Disney, Netflix, Microsoft, Comcast oder Kongregate jetzt schon Milliarde um Milliarde der einst in der heimischen Wirtschaft verbliebenen Werbe- und Spielegelder dorthin umlenken.

Statt mit Gesetzen der Einschränkung und Zensur zu reagieren – wie es einst in der DDR Erich Honecker und seine Stasi versucht haben und wodurch sie untergegangen sind –, wäre eine europaweite digitale Grossoffensive die einzige verbleibende Möglichkeit, zu verhindern, dass wir zu einem Kontinent der Ewiggestrigen werden. Und finanzieren könnte man das durch eine digitale Umsatzsteuer auf alle Umsätze, die von den Big Playern in diesen Bereichen generiert werden. Es wäre ein Leichtes, dies zu beschliessen … wären da nicht wieder die vielen Lobbyisten der digitalen Konzerne, die längst die Hirne der Entscheider vernebelt haben.

Und so werden die einen wachsen – und die anderen schrumpfen und schimpfen.



Manfred Klemann ist Serial Entrepreneur und einer der Pioniere des europäischen Internets (wetter.com). Er ist mit 20 Prozent an C-Films beteiligt, welches den «Zwingli»-Film produziert hat. Zudem ist er Miteigentümer des «persönlich»-Verlags.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.


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