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Unehrliche Umzugspläne

von Patrick Feuz

Ruedi Matter, Direktor des Schweizer Radios und Fernsehens (SRF), ist ein Schlaumeier. Er tut so, als wäre der Wirbel um die geplante Schliessung des Radiostudios in Bern vor allem der Trägheit der hiesigen Radioleute geschuldet, die nicht in den Zürcher Leutschenbach pendeln wollen. Und den Bremsern, die nicht begreifen, dass Radio und Fernsehen, Journalisten und Techniker, Entwickler und Produzenten künftig über alle Kanäle hinweg zusammenarbeiten müssen, um die Inhalte noch unter die Leute bringen zu können.

Wäre es so, wie Matter glauben macht, dann gäbe es nichts einzuwenden gegen die SRF-Umzugspläne. Weder die Befindlichkeit der Mitarbeitenden in Bern noch die Empörung der lokalpatriotisch erhitzten Politiker dürfen Gradmesser dafür sein, was gut ist für die Zukunft des Schweizer Radios und Fernsehens. Ebenso klar: SRF muss etwas ändern, um die Jungen zu erreichen, die heute nicht mehr linear fernsehen und Radio hören wollen. Behauptung wirkt vorgeschoben.

Behauptung wirkt vorgeschoben

Was Matter sagt, verwirrt aber mehr, als dass es aufklärt. Er führt den Zwang zur Konvergenz ins Feld, wie die journalistische und technische Zusammenarbeit zwischen TV, Radio und Internet im Jargon heisst; doch dieser Zwang zwingt eben gerade nicht dazu, Radio und TV unter einem Dach zu vereinen. Just dank der Digitalisierung ist es immer weniger wichtig, dass die im Verbund arbeitenden Journalisten am gleichen Ort sitzen.

Vor allem aber: Es sind verschiedene Arten von Konvergenz denkbar. So lassen sich etwa bewährte Sendegefässe wie «Echo der Zeit» mit einer App vertreiben für Menschen, die auf dem Smartphone gerne Hintergründiges hören. Dazu muss kein Journalist den Arbeitsort wechseln.

Matter verspricht, die Qualität der Radioinformation dürfe nicht sinken. Aber gleichzeitig lässt seine eigene Vorstellung von Konvergenz, die nur zentralisiert funktioniert, Ungutes erahnen. Der angestrebte maximale Effizienzgewinn könnte zu einem Info-Moloch führen, zu einer auf Tempo getrimmten Verwurstungs-Maschine: der «Echo»-Beitrag schnellstmöglich produziert, auf SRF News online geschaltet, kaum noch als «Echo»-Beitrag erkennbar, später in der «Echo»-Sendung ausgestrahlt.

In anderen Worten: Zu behaupten, von der örtlichen Verschmelzung von Radio und Fernsehen hänge ab, ob SRF die digitale Zukunft meistern werde, wirkt vorgeschoben. Vieles deutet darauf hin, dass es in erster Linie ums Geld geht. Und zwar nicht um die mit 3,5 Millionen Franken bezifferten Einsparungen, die sich kurzfristig realisieren lassen. Sondern ums grosse Geld. Sind die Journalisten unter einem Dach vereint, lassen sich mittelfristig leichter Stellen streichen. Auch Chefposten mit hohen Löhnen.

Viele Unternehmen müssen Synergien nutzen, weil ihnen die Digitalisierung und neue Konkurrenten das Geschäft vermiesen; SRF tut also nur, was andere auch tun. Doch SRF ist kein Unternehmen wie jedes andere: Es lebt im Wesentlichen von den Gebühren, die alle Bürger in diesem Land bezahlen müssen.

Natürlich mehr «Züri»

Die streng betriebswirtschaftliche Logik gilt also nicht. Umso weniger, als die SRG zuletzt im No-Billag-Abstimmungskampf die Gebührenpflicht mit ihrer lokalen Verankerung verteidigte. Ohne die geplante Schliessung des Radiostudios Bern zu dramatisieren: Zu meinen, sie wirkte sich publizistisch nicht aus und führte nicht zu mehr «Züri», das wäre naiv.

Journalisten werden von ihrem Umfeld auf Ideen und Geschichten gebracht. Das Zürcher Umfeld unterscheidet sich spürbar von jenem in Bern, da herrschen andere Lebensrealitäten. Wegen der Nähe zum Arbeitsplatz würden wohl bald die meisten Radiojournalisten in Zürich leben.

In den SRF-internen Diskussionen pocht das Radiostudio Bern traditionell auf gewisse journalistische Tugenden, Leutschenbach dagegen gibt eher Gas. Mit der Zentralisierung würde die Zurückhaltung anmahnende und für Vielfalt sorgende Stimme, die mit dem Standort Bern und der hiesigen Denkweise zu tun hat, geschwächt.

Zu Recht sagt Ruedi Matter, Radio und Fernsehen müssten sparen, weil die Politik die Gebühren senken wolle. Bevor die zuständigen SRG-Gremien im Juni über die Umzugspläne entscheiden, wäre jetzt aber eine ehrliche Diskussion darüber nützlich, ob sich nicht auch anders sparen liesse. Ohne dass der Anspruch, für die ganze Schweiz da zu sein, Schaden nimmt.


Patrick Feuz ist Chefredaktor der Zeitung «Bund». Dieser Text ist am Mittwoch, 23. Mai 2018, im «Bund» erschienen.

Der Autor vertritt seine eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.


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