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VIP, VIP, hurra!

von Peter Lesch

Am 21. August gingen in Rio de Janeiro die Olympischen Sommerspiele mit der üblichen Schlussfeier und einer Rede des Putin-Freundes und Beauftragten für die Vertuschung von Dopingfällen, Thomas Bach, der im Nebenamt auch noch das Amt des Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees bekleidet, zu Ende. Zur Verwunderung aller und zum Ärger der Brasilianer bezeichnete er die Spiele nicht als die besten aller Zeiten.

Zu offensichtlich waren sie es nicht, fanden sie doch mehrheitlich vor leeren Rängen statt. Was nicht nur an den Sportarten lag, von deren Existenz man bis dato gar nichts gewusst hatte, sondern auch daran, dass die Sponsoren für die ihnen zugeteilten Sitzplätze zu wenig VIPs auftreiben konnten.

VIPs sind Leute, ohne die heute keine Veranstaltung mehr durchgeführt werden kann. Früher schätzte sich ein Unternehmen glücklich, mit ein paar VIPs aufwarten zu können, heute wäre es froh, wenn es nicht wenige davon wieder loswürde. Denn für den VIP gilt: einmal VIP, immer VIP, was zu seiner karnickelartigen Vermehrung geführt hat. Die einzige Chance, ihre Anzahl zu reduzieren, bestünde darin, so lange zu warten, bis die VIPs in der Mehrzahl wären. Dann könnte man die gewöhnlich Sterblichen zu VIPs machen, als Belohnung dafür, dass sie als Einzige ihren Eintritt selbst bezahlten.

Sollte man den VIP aufgrund dieses Vorgehens nicht mehr in allen Fällen als solchen erkennen, würde man ihn am besten für alle Fälle kennzeichnen: mit einem Bändel, der auffällig am Handgelenk getragen würde, oder einem Stempel auf dem Handrücken, der sich nur noch mit notärztlicher Hilfe entfernen liesse. So öffneten sich einem Türen und Flaschen. Endlich wäre man unter seinesgleichen. In einer Lounge, dem Ort, an dem sich die Leute auf Einladung betrinken.

Von einer Lounge aus kann man auf gewöhnliche Menschen herabschauen. Zudem ist man von ihnen durch eine Glaswand getrennt, damit man beim geistreichen Small Talk nicht akustisch belästigt wird. Eine Lounge ist mit einer Bar und mit diversen Polstergruppen ausgestattet. In diese lässt sich der VIP auf Kosten des Sponsors fallen, und er steht erst wieder auf, wenn er nicht mehr stehen kann.

Weil die Schweiz, anders zum Beispiel als England, nicht mit einer Königsfamilie aufwarten kann, von der Familie Knie einmal abgesehen, geniessen die VIPs, vorab in der Boulevardpresse, einen hohen Status, dienen sie doch zur Steigerung von Auage und Klicks. Sie sind in verschiedene Kategorien eingeteilt. Als Vorbild dient dabei der «Guide Michelin» mit seinen Sternen – wobei in der Schweiz der Cervelat als Symbol verwendet wird.

Gleich bleibt sich aber die Benotung: je mehr Sterne respektive Cervelats, desto höher der Status. In der Kategorie drei (ein Cervelat) taucht leicht abgestandene Prominenz auf. Stellvertretend seien hier Lys Assia und Hausi Leutenegger erwähnt. In Kategorie zwei (zwei Cervelats) finden sich Ex-Missen und Newcomer wie die in Sachen Wurstwaren versierte Metzgerstochter Beatrice Egli. Der höchsten Kategorie (drei Cervelats) gehören Prominente an, die schon mindestens dreimal eine Homestory in der Schweizer Illustrierten überlebt haben.

Hier schliesst sich der Kreis zu den Olympischen Spielen. Athleten kämpfen um Gold, Silber oder Bronze, der VIP um ein, zwei oder drei Cervelats im «Who’s who». Und wenn der Athlet zu Doping greift, greift der VIP zum Telefon und ruft seinen PR-Berater an oder fährt mit seinem Mercedes in ein Verlagshaus. Hier aber endet die Gemeinsamkeit. Denn wird der Athlet erwischt, verliert er seine Medaille, der VIP aber darf seinen Cervelat behalten.

Peter Lesch ist Werber und Spielertrainer D.L.N Frischauf Seefeld.


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