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Von Mohrenköpfen und anderen Altlasten

von Nadja-Timea Scherrer

Die derzeit aufgeheizte Debatte rund um den Produktnamen «Mohrenköpfe» auf den sozialen Medien ist Ausdruck dafür, dass es einen Wandel braucht. Und zwar im Bewusstsein. Fehlende Empathie und Selbstreflektion sind meistens die Hauptursachen für Aussagen wie «Ja, aber dann müsste man das Wort ‹Wienerli› ja auch abschaffen». Na ja, ich nehme jetzt einfach mal schwer an, dass sich die Wiener von Schweizern weniger diskriminiert fühlen als die Schwarzen. Aber das ist ja auch nur eine Annahme. Hierzu möchte ich aber noch Michael Kimmel, den renommierten amerikanischen Soziologen, zu Wort kommen lassen, der es in seinem TED-Talk meines Erachtens auf den Punkt gebracht hat: «Privileg ist unsichtbar für die, die es haben.»

Wir Weissen wissen nun einmal einfach nicht, wie es sich anfühlt, wenn man eben nicht weiss ist, aber konstant von Weissen umgeben. Dabei braucht es gar nicht so viel, um ein wenig Empathie ins Spiel zu bringen. Ich habe im Laufe meiner Karriere unzählige Gespräche zu diesen Themen mit den unterschiedlichsten Menschen überall auf der Welt geführt und doch habe auch ich immer noch blinde Flecken. Das ist ganz normal und wird in der Wissenschaft «Unconscious Bias» oder «Unbewusste Vorurteile» genannt.

Unbewusste Vorurteile

Diese Vorurteile entstehen aufgrund eines Schutzmechanismus unseres Gehirns. In gefährlichen Situationen müssen wir einen Menschen oder eine Situation blitzschnell einordnen können, um zu überleben. Und da gibt es dann halt auch öfter mal Fehleinteilungen. So entstehen dann Stereotypen. Sie sind eigentlich nichts weiter als Ordnungsmechanismen unseres Gehirns, die dabei helfen, komplexe Sachverhalte möglichst schnell zu vereinfachen.

Solange man sich dessen bewusst ist, ist alles gut. Denn wer seine Denk- und Glaubensmuster versteht und erkennt, kann eigenen Vorurteilen aktiv entgegenwirken. Das Problem entsteht erst, wenn die Selbstreflektion fehlt. Dadurch wird dann ein fruchtbarer Dialog verunmöglicht. Aber auch ein einfach mal nachfragen und wirklich zuhören kann viele Konflikte abschwächen.

Nun zurück zum Mohrenkopf

Nun ist es natürlich so, dass unbewusste Vorurteile auch durch unser soziokulturelles Umfeld geprägt und verschärft werden. So natürlich auch durch die Unterhaltungsindustrie und natürlich die oft verschriene Werbebranche. Veraltete Begriffe in unserer Sprache und unzeitgemässe Markennamen mit einem rassistischen Unterton sind weitverbreitet, da sie meistens aus einer Zeit stammen, als die Gleichberechtigung vielleicht noch nicht so grossgeschrieben wurde wie heute.

Die Tatsache, dass wir uns an diese Ausdrücke gewöhnt haben, ist aber alarmierend. Da wurde unsere Selbstreflektion mit einem Automatismus ersetzt. Denn ich wage ja doch zu bezweifeln, dass ein Produkt, das heutzutage mit einem solch rassistisch geprägten Namen auftaucht, nicht auf Widerstand stossen würde. Gegner dieses Arguments berufen sich dann meistens auf die Tradition: «Ja, aber das war ja immer schon so.» Hierzu muss ich sagen, dass ich wirklich keine Ahnung habe, wer diesen Satz je gelten lassen hat und warum, aber in meiner Welt ist er vollkommen sinnentleert. Denn gerade, weil es ja schon immer unreflektierterweise so war, muss es ja geändert werden. Denn guess what: times have changed. Gott sei Dank!

Und hier noch ein kleines Zitat von jemandem, der weiss, wovon er spricht. Mohamed Abdirahim ist halb Engländer, halb Amerikaner mit somalischen Wurzeln und wurde im 2017 in den Berner Stadtrat gewählt: «Wenn solche Namen und Symbole aus dem Alltag verschwinden, können auch die damit verbundenen rassistischen Stereotypen nicht mehr durchscheinen.»

Und jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit dem Argument, dass es ihrem schwarzen Bekannten nichts ausmache, dass die Mohrenköpfe Mohrenköpfe heissen. Das kann durchaus sein, nur ist er dann leider genauso Opfer eines Unconscious Bias geworden wie wir.



Nadja-Timea Scherrer ist interkulturelle Kommunikationsexpertin und Partnerin bei der Social Impact & Creative Boutique Plus305.  

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.


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