In diesen aussergewöhnlichen Zeiten hat vor allem ein Wort Hochkonjunktur: Solidarität. Solidarisch war der Bundesrat, als er der SRG für entgangene Werbeausgaben so en passant 50 Millionen Franken überwies (persoenlich.com berichtete). Anstatt zu hinterfragen, warum dies trotz guter Konjunktur möglich war und man die Vermarktungsfirma Publisuisse ohne Not zerschlagen hatte, griff der Staat jetzt fürsorglich ein.
Für den Aussenstehenden nicht nur der schlagende Beweis, dass die Landesregierung die SRG als ihren Sender betrachtet, sondern dass auch mit der Schweizer Medienpolitik einiges im Argen liegt. Es stellt auch das Prinzip Kapitalismus auf den Kopf, schlechtes Wirtschaften wird belohnt. Und 50 Millionen Franken – mit Verlaub – ist auch in Zeiten, in denen von Milliardenbeträgen gesprochen wird, sehr viel Geld. In 10er-Noten aufeinander gebündelt, wäre es dreimal der Fernsehturm auf dem Üetliberg.
Bei der SRG und dem Bundesrat verhält es sich höchstwahrscheinlich wie mit jenem Vater, der seinem Sohn, nachdem er seinen Mercedes zu Schrott gefahren hat, einen Ferrari kauft, anstatt ihn zu massregeln. Dass die SRG-Spitze im Gegenzug Kurzarbeit einführen will und somit als gebührenfinanziertes Unternehmen den Griff auf die Arbeitslosenkasse wagt, erscheint für uns Aussenstehende zwar dreist, ist im Prinzip aber auch solidarisch: vor allem gegenüber sich selbst.
In solch unruhigen Zeiten ist man froh, wenn auf etwas Verlass ist – und ist es nur das SRG-«Wir-können-uns-alles-erlauben»-Gefühl, das seit Corona wieder Einzug hält. An der Giacomettistrasse und im Leutschenbach kann man ruhig schlafen: Sollte etwas schief gehen, Vater Staat wird es richten und – wie Beispiel zeigt – notfalls auch berappen. PKZ (Papa kann zahlen) wäre der ideale Werbepartner für unseren Staatssender.
Solidarisch sind auch die Grossverlage NZZ und TX-Group: vor allem ihren Aktionären gegenüber, denen sie für das Superjahr 2019 eine Dividende auszahlen. Dummerweise im Zeitpunkt von Kurzarbeit und der grössten Werbekrise der letzten fünfzig Jahre. Als Kleinunternehmer staunt man über solche finanziellen Möglichkeiten im Angesicht des Weltuntergangs.
Von Solidarität hat man von den amerikanischen Grosskonzernen Google und Facebook, die ihr Domizil in Zürich haben, auch gehört – vor der Krise. Kleine Frage an die beiden Digitalunternehmen: Wäre jetzt nicht der ideale Zeitpunkt, um die gebeutelte Medienbranche mit zehn Prozent Eures Gewinns zu unterstützen? Schliesslich zahlt Ihr hierzulande keine Steuern und profitiert von unserem Werbemarkt. Euer momentanes Schweigen ist viel zu edel. Ich bin überzeugt, jetzt wäre der richtige Zeitpunkt für eine kleine Hilfeleistung. Diese – und da bin ich mir absolut sicher – würde in und ausserhalb der Branche mit grösster Sympathie aufgenommen. Ich stehe für Ideen zur Verfügung: matthias.ackeret@persoenlich.com.
Matthias Ackeret ist Verleger und Chefredaktor von persönlich und persoenlich.com.
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Warum sind plötzlich alle so solidarisch?