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Wenn das Gute böse wird

von René Zeyer

Abstimmungskampagnen sind nicht der Ort für filigrane Spitzenklöppelei. Da wird eher geholzt. Schwarze Schafe, schwarze Stiefel, Messerschlitzer, die SVP ging schon in einer Art zur Sache, die den Aufschrei vieler provozierte, denen es um den Erhalt einer gewissen Kultur der politischen Auseinandersetzung geht. Darum, dass sie nicht abgleitet wie in den USA, wo auch hemmungslos auf den Mann oder die Frau gespielt, beziehungsweise gerempelt wird.

Neuerdings ist aber auch in der Schweiz das niedrigste Niveau der persönlichen Verunglimpfung erreicht worden. Dass auf Plakaten der Gegner der Selbstbestimmungsinitiative eine Kreissäge die Menschenrechte durchschneidet, mag als eben plakative Politwerbung durchgehen. Was aber von «Schutzfaktor M», einer anonymen Gruppe von Gegnern der Initiative, ins Netz gestellt wurde, schlägt alles, was es bislang in der Schweiz gab. In einem von der Agentur Civil Voices aufwendig gedrehten und montierten Filmchen wird das Innere des Trojanischen Pferdes gezeigt (persoenlich.com berichtete). Darin verbergen sich unter anderen die SVP-Nationalräte Roger Köppel und Andreas Glarner, sowie Magdalena Martullo-Blocher. Ihre Köpfe sind auf Körper montiert, die so etwas wie römische Legionärsuniformen tragen. «Köppel» prüft mit hinterlistigem Blick die Schärfe seines Messers, während das Pferd auf das Bundeshaus zurollt.

«Wir tricksen das Volk aus», sagt ein Imitator mit Glarners Stimme, «Köppel» kündigt an, dass er sich nach Annahme zuerst um das Bundesgericht kümmern werde, «auf Menschenrechte können sich die Richter dann nicht mehr berufen», sagt er triumphierend und wirft ein Holzmodell des Gerichts weg. «Und dann kommen wir mit der Initiative zur Abschaffung der IV durch», ergänzt «Glarner», «die Scheininvaliden sollen dann selber schauen», während er eine Holzfigur auf einen bettlägerigen Menschen einstechen lässt. Unter Gelächter fährt das Pferd drohend auf das Bundeshaus zu, während eine Stimme aus dem Off zusammenfasst: «Die Selbstbestimmungsinitiative öffnet Tür und Tor zur Beschneidung unserer Rechte und gefährdet unsere Demokratie. Lassen Sie sich nicht täuschen, sagen Sie nein zur trügerischen Selbstbestimmungsinitiative.»

«Der Film arbeitet hinterlistig mit allem, was auch in den USA zum Handwerkszeug von populistischen Hetzern gehört»

Mit «Die Hinterlist der Initianten» ist dieses dunkle Machwerk überschrieben. Es arbeitet hinterlistig mit allem, was auch in den USA zum Handwerkszeug von populistischen Hetzern gehört. Persönliche Verunglimpfung von politischen Exponenten, so wird mit ihrer Originalstimme Martullo-Blocher mit ihrem Satz «you dreamer» hineingeschnitten. Mit der Verwendung der hineinmontierten Originalköpfe, denen lippensynchron Texte unterlegt werden, ist jede Form von herabwürdigender Persönlichkeitsverletzung erfüllt.

Was sagen die Verantwortlichen dazu? Es ist gar nicht so einfach, sie herauszufinden. Im Impressum der Webseite sind nur Links angegeben, die wieder auf eben diese Webseite verlinken. Aber unter «Kontakt» ist die «Allianz der Zivilgesellschaft» angegeben. Also stelle ich deren Geschäftsführerin ein paar Fragen und gebe ihr 24 Stunden Zeit für eine Antwort. Ich bin sehr erstaunt, als ihr Feedback bereits kurz danach in meinem Mail-Eingang liegt. Aber nein, es sind nicht die Antworten auf meine Fragen: Die Dame hat nur den falschen Empfänger ausgewählt, sie wollte eigentlich interne Argumentationshilfe und schrieb: «Wie soll ich vorgehen? ignorieren? sagen, er hätte offenbar bereits seine analyse gemacht? auf aggressive Kampagne der SVP verweisen ohne Absender? Wie erklär ich IV Beispiel? Danke für Tipps, liebe Grüsse, A» Die bekam sie aber offensichtlich nicht, denn ausser diesem peinlichen Versehen blieb die Zivilgesellschaft bislang stumm in meiner Inbox.

«Wir hören ein bleiernes Schweigen in den Medien»

Hören wir nun aber einen Aufschrei aller anderen, die gegen primitive, simple, menschenverachtende und hetzerische frühere Kampagnen der SVP protestiert hatten? Lesen wir Aufrufe zur Rückkehr zu einem gesitteten politischen Umgang, Forderungen nach dem Verzicht auf persönliche Schmähungen? Mahnungen, dass wenigstens das Niveau von Trump nicht unterboten werden sollte? Nein, wir hören ein bleiernes Schweigen in den Medien. Wenn wir genau hinhören und hinsehen, dann vernehmen wir eine klammheimliche Freude, ein leises Glucksen und können den Anflug eines Grinsens auf den Gesichtern entdecken, die sich zu grimmigem Zorn verzogen hatten, als sie über die SVP-Plakate herzogen. Schlimm ist nicht nur dieser nicht einmal von der SVP erreichte Tiefpunkt. Schlimmer ist die unsägliche Heuchelei, das Messen mit zwei Ellen, wenn es um die Verteidigung des angeblich Guten gegen das vermeintlich Böse geht.



René Zeyer ist Inhaber von Zeyer Kommunikation in Zürich. Er ist Publizist (BaZ, «SonntagsZeitung», «Weltwoche», NZZ) und Bestsellerautor.

Der Autor vertritt seine eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 


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