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Wenn Gegensätzliches gefordert wird…

von Marcus Knill

Angenommen, Sie beanstanden einem Kellner: «Das Fleisch war zu wenig durchgebraten. Es sollte noch rot sein» – so wird wohl der Küchenchef ob dieser Kritik nicht klug. So schreibt das Gremium des Publikumsrat jüngst bei der Nagelprobe des «Medienclubs»: «Der Rat wünscht sich mehr kritisches Nachfragen und regt an, die Zügel etwas lockerer zu lassen, damit vermehrt Diskussionen unter den Gästen entstehen können.» (persoenlich.com berichtete).

Eigenartig. Da wird Gegensätzliches gefordert: Einerseits das Moderieren mit engen Zügeln (kritisches Nachfragen) und gleichzeitig soll der Moderator die Zügel vermehrt schleifen lassen? Wie kann man aus dieser Formulierung schlau werden? Die Forderungen widersprechen sich.

Kommunikationsprozesse kennen einige Gegensätze, die unter einen Hut gebracht werden müssen. Ich denke an Verhandlungen. Dort gilt: Der Verhandler ist hart in der Sache und weich gegenüber der Person. Dies ist unter dem Begriff «Harvard Prinzip» bekannt: «Ich verstehe Dich, aber ich bin mit Deiner Aussage nicht einverstanden.»

Ich habe die meisten Sendungen des «Medienclubs» mitverfolgt und stellte fest: Franz Fischlin kennt aus meiner Sicht das Harvard Prinzip. Er moderiert hart aber fair. Beides kann er unter einen Hut bringen. Wenn der Publikumsrat bei seiner Analyse andererseits zum Schluss kommt, Fischlin moderiere ruhig, kompetent und leite wohlwollend und respektvoll – und auch die journalistische Qualität, die Relevanz und die Glaubwürdigkeit der Sendung seien gut, so müsste der Publikumsrat eigentlich erkannt haben: Bei Franz Fischlin stimmt bereits «die Balance zwischen engen Zügeln und lockeren Zügeln». Der Publikumsrat wäre somit gut beraten, Formulierungen von Verbesserungspunkten vermehrt zu hinterfragen.

Folgende Kritikpunkte hingegen irritieren bei seinem Bericht nicht. Sie sind allen verständlich und nachvollziehbar: «Bei den Verbesserungsmöglichkeiten beim ‹Medienclub› wünscht der Publikumsrat eine besser nachvollziehbare Struktur und Systematik der Sendung. Aber auch die Dauer wird als zu lang empfunden. Der Rat fragt sich überdies, ob es nicht sinnvoll wäre, den Ausstrahlungsmodus vermehrt der Aktualität anzupassen und den ‹Medienclub› näher an die Themenplanung der Diskussionssendung ‹Club› heranzuführen und so einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.»



Marcus Knill ist Experte für Medienrhetorik und Autor der virtuellen Navigationsplattform für Kommunikation und Medien rhetorik.ch.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 


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