65 Prozent aller Kinder werden einmal Berufe erlernen, die es heute noch gar nicht gibt. Ähnliches gilt wohl auch für Talente im Marketing. Die klassischen Marketingkompetenzen bleiben zwar gefragt, aber sie werden zukünftig viel öfter ausserhalb der eigentlichen Marketingabteilung zum Einsatz kommen. Meine Kolumne zum Thema «Mehr Marke im E-Commerce» und mein Aufruf, die kreativsten Köpfe in die E-Commerce-Abteilung zu senden, ist nur ein Beispiel von vielen. Vermarktung und Vertrieb – und die entsprechenden Talente dafür – verschmelzen in jenem Beispiel im Online-Shop, also am Point-of-Sale.
Was aber wäre, wenn wir dieses Prinzip umdrehen?
Ein interessantes Beispiel dafür sind «Conversational Ads». Hier gehen nicht die Marketeers in den Online-Shop, sondern der Shop kommt zum Marketing. Genau genommen: das Werbemittel ist der Point-of-Sale.
Wie das geht? Schauen Sie hier:
Diese unkonventionelle Werbung für eine Autoversicherung zeigt, wie sich aus dem Kundenservice-Bereich bekannte, KI-basierte Conversational Bots im Marketing nutzen lassen. Werbemittel werden so interaktiv und «gesprächig», können Rich Media-Elemente transportieren und den Dialog mit Konsumenten hochgradig individualisieren. Denn: Warum sollen (digitale) Werbemittel statisch sein?
Werbemittel sind so nicht nur Wegweiser zu einer Destination, sondern beides in einem. Informationssammlung, Evaluation und Kaufabschluss können direkt an Ort und Stelle durchgeführt werden. Und dieser neue Point-of-Sale existiert nicht nur einmal, sondern x-fach direkt auf den Webseiten der Publisher – für einmal nicht nur eine Vervielfachung der Marketing-, sondern auch der Vertriebskanäle!
Marketing muss Vertriebskompetenzen lernen
Was einfach ausschaut – und es für den Prospect auch sein sollte! – stellt ganz neue Anforderungen an die Marketingfunktion. Im Mittelpunkt stehen vor allem neue Kompetenzen aus Vertrieb und Technologie.
Hohe Hürden, grosse Belohnung
Keine Frage, «Conversational Advertising» kommt mit vielen Voraussetzungen. Wer es richtig umsetzt, wird jedoch schnell belohnt. Die Zahl der generierten Leads kann basierend auf unseren Erfahrungswerten bis zu zweimal höher liegen als bei klassischer (digitaler) Werbung, die Sales-Conversion-Rate um bis zu 40 Prozent über dem Standard.
Die KPIs sind jedoch nur die eine Seite der Medaille. Eine von uns kürzlich bei über tausend Marketing-Entscheidungsträgern durchgeführte Studie zeigt, dass die erfolgreichsten CMOs eines vereint: Sie schauen über den Tellerrand und setzen auf die enge Verzahnung mit anderen Unternehmensfunktionen. Das geht weit über den losen Erfahrungsaustausch hinaus und beinhaltet sogar den regelmässigen Austausch von Talenten zwischen den Teams. Diese CMOs haben verstanden, dass neuartige Markenerlebnisse nur dann entstehen, wenn unterschiedlichste Funktionen mit ihren jeweiligen Fähigkeiten an einem Strang ziehen.
Das lässt auch für die Zukunft hoffen: Denn wer heute «Conversational Advertising» beherrscht, wird morgen im Metaverse der erste sein, der die Nutzer mit ausgeklügelten AR/VR-Anwendungen für seine Marke begeistert.
Oder anders gesagt: Einmal Vorreiter, immer Vorreiter.
Thomas Ruck ist Managing Director bei Accenture Interactive.
Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.