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Wie sich Fehltritte vermeiden lassen

von Michael Kamm

Diskriminierend oder sexistisch: der Werbung werden oft wenig schmeichelhafte Vorwürfe gemacht. Drei Tipps.

Ein Zeitgenosse soll gegen 10'000 tägliche Kontakte mit Marken haben. Auf unseren Einkaufstaschen, unserer Bekleidung, auf dem Web und auf dem Handy ist die Werbung allgegenwärtig. Weit davon entfernt, sich auf die herkömmlichen Werbebeilagen zu beschränken, ist sie bereits auf Schultoiletten präsent, um uns von Jugend an überall zu belgleiten. Auf diese Weise folgt uns die Werbung überall hin, um uns zu suggerieren, wie wir zu sein, zu denken und jeden Tag zu leben haben. Kommunikation ist zugleich lebendig, evolutionär und fördert die Mitbestimmung! Während die gesellschaftlichen Werte sich konstant verändern, kann dieses wahre Sozialisierungswerkzeug sogar einen wohltätigen erzieherischen Einfluss auf uns stark beschäftigende Fragen wie Sexismus, Diskrimination oder Umwelt haben.

Welche Verantwortung kommt in dieser Hinsicht uns Werbern zu? Auch wenn sich jeder persönlich gegenüber der Beeinflussung durch die Marken als wenig empfänglich hält, müssen die Werbetreibenden und Agenturen darüber wachen, dass die von ihnen vermittelten Inhalte die Sensibilitäten aller respektieren. Wir gehen immer von der Idee aus, dass eine Werbebotschaft vor allem bezweckt, die Aufmerksamkeit zu wecken und nicht unbedingt Spannungen zu vermehren. Es ist meist der kumulative Effekt gewisser ungeschickter Details, verbunden mit einem spezifischen Kontext, der einen ganzen Inhalt als unangemessen erscheinen lässt oder sogar rechtswidrig macht.

«Es ist meist der kumulative Effekt gewisser ungeschickter Details, verbunden mit einem spezifischen Kontext, der einen ganzen Inhalt als unangemessen erscheinen lässt oder sogar rechtswidrig macht.»

Hier deshalb einige Empfehlungen, die Sie vor Ungemach bewahren können, worauf sie zum Jahresende bestimmt verzichten möchten.

1 – Sensibilisieren Sie Ihr Team

Verzerrungen und Diskriminationen gibt es in der Werbung, aber auch in den Medien, die beide eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von Wissen und bei der Meinungsbildung spielen. Sie übertragen Bilder und Worte, die uns dauerhaft prägen können. Es ist jedoch schwierig, jemandem Vorwürfe zu machen, der nicht über die Schlüssel zu einer vollkommen ethischen Kommunikation verfügt. Zum Beispiel können die seit Jahrhunderten bestehenden und noch immer allgemein angewendeten Sprachregeln heute schockieren, weil sie den männlichen Ausdruck gegenüber dem weiblichen bevorzugen. Immer mehr Werber und Journalisten nehmen deshalb an Weiterbildungskursen teil, um ihre Praxis den neuen Gegebenheiten anzupassen. Ein Vorgehen, das auch von den Konsumenten selbst ermutigt wird. Das beweist eine amerikanische Studie, die letztes Jahr von The Female Quotient (in Partnerschaft mit Google und Ipsos) durchgeführt wurde. Sie kommt zum Schluss, dass die Konsumenten sich tendenziell mehr für ein Produkt interessieren – und es kaufen – nachdem sie eine Anzeige mit diversifizierter oder inklusiver Ansprache gesehen haben.

«Verzerrungen und Diskriminationen gibt es in der Werbung, aber auch in den Medien, die beide eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von Wissen und bei der Meinungsbildung spielen.»

2 – Verfeinern Sie Ihre Zielgruppendefinition

Wie wir am Anfang dieser Chronik festhielten, trifft die Werbung jedermann, überall und jederzeit. Wie jedes mal, müssen wir uns deshalb zuerst die richtigen Fragen betreffend unsere zukünftigen Kunden stellen. Zu welcher Altersgruppe gehören sie? Was suchen sie genau? Welches sind ihre Werte? Vergessen wir nicht, dass die in eine präzisere Zielgruppendefinition investierte Zeit gleichzeitig erlauben wird, die Kosten für Angesprochene mit weniger Potential zu senken. Jedes Medium hat sein eigenes Zielpublikum, seine eigenen Interessenschwerpunkte und seine eigene Zielsetzung. Es ist deshalb nicht ratsam, auf allen Trägern den gleichen Inhalt zu veröffentlichen. Vergessen wir ausserdem nicht, dass der vermehrte Einsatz der Sozialnetzwerke zur Übermittlung von angemessenen Werbebotschaften auch zu diskutablen oder unpassenden Kommentaren führen kann. Es ist deshalb wichtig, diese Kanäle in genauer Kenntnis ihrer Eigenheiten und mit der gebotenen Einfühlungsgabe zu benützen. Die angebotene Hypersegmentierung muss Ihnen vor allem dazu dienen, Ihre Zielgruppenprofile besser einzukreisen, um die mit der Benützung und den Verhaltensweisen verbundenen Risiken besser zu meistern. Die wahre Herausforderung besteht darin, die richtige Botschaft der richtigen Zielgruppe zu übermitteln!

3 – Bleiben Sie kohärent mit Ihren Werten

Nach der Form, wenden wir uns dem Gehalt zu. Dieser letzte Ratschlag trifft besonders unter der Bedingung zu, dass die positiven Werte Ihrer Marke jene Ihres Unternehmens wiederspiegeln. Ein häufig zitiertes Beispiel ist das sogenannte femvertising, bei dem die Werbetreibenden auf der feministischen Welle surfen, ohne dies unbedingt im wahren Leben zu tun. Wie im Fall von Audi, die beim Superbowl 2017 einen prachtvollen Film ausstrahlte, um die Stellung der Frau in der Gesellschaft zu unterstützen. Sofort konfrontierten tausende von Internauten den deutschen Automobilhersteller auf den Sozialnetzwerken damit, dass nur alte weisse Männer in seinem Verwaltungsrat sitzen. Eine ähnliche Problematik erschien zu Beginn der 2000er Jahre mit dem Phänomen des greenwashing, als sich mehrere Marken einen umweltfreundlichen Diskurs zulegten, ohne selbst ein entsprechendes Verhalten aufzuweisen. Man achte deshalb darauf, zuerst vor der eigenen Türe zu kehren (oder seine Schränke gründlich zu reinigen), bevor man anderen Lektionen erteilt.

Ein Blick auf die Geschichte der Werbung zeigt uns, dass diese nicht selten dazu beigetragen hat, einen echten positiven Wandel in der Gesellschaft herbeizuführen, ohne dabei einem blossen Modetrend zu folgen. Dabei sollten wir jedoch nicht vergessen, dass ihr Einfluss schnell, kumulativ und meistens unbewusst erfolgt. Verzichten Sie deshalb nie auf eine klare, unmissverständliche Kommunikation, um zu vermeiden, dass Ihre Kampagne kontraproduktiv oder sogar diskreditierend wirkt.

Kurz, seien Sie authentisch, präzisieren Sie Ihre Persona minutiös und bilden Sie sich mit dem Ziel weiter, auch der Subjektivität immer besser gerecht zu werden. Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen die Dienstleistungen der Genfer Vereinigung DécadréE empfehlen, deren Ausbildung Trio als erste Kommunikationsagentur gefolgt ist. Sie hilft dabei, Ihr Team für eine vermehrte Gleichberechtigung zu sensibilisieren, und sicherzustellen, dass Ihre Kommunikation inklusiver und diversifizierter wird. Was braucht es mehr!



Michael Kamm ist Inhaber der Agence Trio, Lausanne und Zürich.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.


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