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Zwischen Content und Marketing

von Roger Rüegger

Den als «Untergang des Printjournalismus» betitelten Prozess der Digitalisierung erleben wir jetzt schon eine ganze Weile hautnah mit. Und bei den nicht minder häufigen Berichten, dass es den Werbeagenturen in Zeiten der Beraterkommission auch schon besser gegangen sei, kann man es sich als Zuschauer ebenfalls bestens mit virtuellem Popcorn in den Kommentarspalten gemütlich machen. Unbestritten ist, dass der digitale Wandel so ziemlich jedes Geschäftsmodell durcheinanderschüttelt und dass die damit einhergehenden Herausforderungen nicht nur im Journalismus zu ungewöhnlich emotional geführten Gesprächen führen.

Kaum jemand dürfte im Zeitalter von Redaktions- und Agenturkonsolidierungen, «Fake News», dem von Journalisten befürchteten «redaktionellen Einheitsbrei» und Websites mit Adressen wie «newspaperdeathwatch.com» noch bezweifeln, dass es «blutig» werden wird (respektive längst ist), wie sich Ringier-CEO Marc Walder kürzlich im Handelsblatt zitieren liess. Und dass, nebst kontinuierlichen Kosteneinsparungsmassahmen, die Suche nach neuen Werbeformen respektive Einkommensmodellen für alle Beteiligten nicht schnell genug gehen kann, auch wenn dabei gleich mehrere Grenzen verwischt werden: Content Marketing ist ein mit Priorität verfolgtes Konzept geworden.

Seit rund einem Jahr erstellt beispielsweise Tamedia Commercial Publishing «im Auftrag des Werbemarkts Content-getriebene Werbeprodukte». Der Vermarkter Admeira rief im August dieses Jahres ein Adtelier ins Leben, Ringier hat den «Sponsored Content», die NZZ den «Branded Content», bei Wirz hat man sich für die neue Abteilung «Storyline» kürzlich Journalisten-Know-how ins Haus geholt, digitale Event- und Content-Plattformen bieten ebenfalls zunehmend selber Kreativ-Leistungen an – und überhaupt haben es irgendwie ja schon alle immer verstanden, in irgendeiner Form «Storytelling» für ihre Kunden zu machen.

Bei aller Freude an der Konvergenz, den einzelnen Parteien kann das Thema aber auch Grenzen aufzeigen:

- Agenturen haben im Vergleich zu Verlagen Mühe damit, eigene mediale Plattformen zu bauen, verstehen dafür die Bedürfnisse einer Marke besser. Und die Ausrichtung auf Botschaften, Zielgruppen und «Call to Actions» ist längst in Fleisch und Blut übergangen. Agenturen sind somit näher am eigenen Kunden wie auch am zahlenden Endkunden dran – und hervorragend darin trainiert, unkonventionelle Ideen zu entwickeln, die in ihrem Umfeld auffallen und auf eine Marke einzahlen.

- Vereinfacht gesagt: beide wissen, dass Content King ist. Beide haben aber ein unterschiedliches Verständnis, was guten Content erst zum Regenten macht – und nur einer der beiden kann mit den eigenen Mitteln dem Auftraggeber auch gleich Reichweite bieten. Ob diese Reichweite nun zwingend auch für eingebettete kommerzielle Inhalte verwendet werden soll, ist ein ganz anderes Thema, bei dem die Stimme des zunehmend werbekritischen (und orientierungssuchenden) Lesers viel zu selten einfliesst.

Insofern wird es in diesem Umfeld der gegenseitigen Disruption in Zukunft ganz bestimmt vermehrt Verlage geben, die sich eine Inhouse-Agentur leisten, Media-Agenturen ohne Einkauf, Kreative mit eigenen Blogs und natürlich auch Journalisten, die ganz offiziell als Influencer auftreten. Eines ist in jedem Szenario klar: Durchsetzen wird sich immer derjenige mit der grössten Reichweite innerhalb der gewünschten Zielgruppe; respektive der Teilnehmer, der die Reichweite einer Botschaft vollumfänglich steuern kann.


Roger Rüegger leitet als Chefredaktor eine nordamerikanische Fachzeitschrift im Luxusgüterbereich und war davor als Executive Creative Director bei führenden Grossagenturen für digitale und integrierte Mandante im Einsatz.

Der Autor vertritt seine eigene Meinung. Sie muss sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion decken.

 

 


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