10.03.2014

DE WECK ROGER/JanuarFebruar 2014

Seit drei Jahren ist Roger de Weck Generaldirektor der SRG und somit einer der mächtigsten Medienmacher des Landes. Unentwegt reist er durch die Schweiz und predigt die Vorzüge des Service public. Kritik gab es nur wenig. Dafür umso heftigere: von den Verlegern, die seinen Vorwärtskurs beanstanden, und von den Frauen. Das Interview fand im Schnellzug von Zürich nach Bellinzona statt.

Herr de Weck, Ihre Interviews der jüngsten Zeit erwecken den Eindruck, Sie müssten die SRG ständig verteidigen. Behagt Ihnen das?
Die SRG zur Geltung zu bringen, ja, das behagt mir.

Was ist der Unterschied zum Verteidiger?
Oft sind Verteidiger die Torschützen.

In welcher Rolle sehen Sie sich heute?
Es ist weniger eine Rolle als vielmehr eine Aufgabe, mit meinen Kolleginnen und Kollegen die SRG weiter voranzubringen. Eine schöne Aufgabe.

Anders gefragt: Sehnen Sie sich nicht nach früheren Tagen zurück, als der Publizist de Weck politisch noch etwas bewegen konnte.
Keine Sekunde. Ich bewege weit mehr als damals. Und die jetzige Aufgabe – am Service public des digitalen Zeitalters zu arbeiten – ist politischer als die des einstigen SonntagsZeitung-Kolumnisten.

Zuletzt erregte der SRG-Themenmonat «Die Schweizer, Les Suisses, Gli Svizzeri, Ils Svizzers» Aufsehen. Schmerzte es Sie, dass ausgerechnet Kreise, denen Sie nahestehen, das Fehlen von Protagonistinnen kritisierten?
Diese nützliche, wichtige Debatte habe ich aufmerksam verfolgt. Erst am Anfang des Themenmonats beteiligte ich mich daran: als das Publikum sich ein Bild verschaffen konnte. In Kenntnis des Angebots fiel ein Teil der Kritik wie ein Soufflé in sich zusammen. Danach rückten andere kritische Punkte in den Vordergrund, zum Beispiel die unterschiedliche Herangehensweise von Historikern und Medienleuten.

Doch hat Sie die Kritik der Frauen, die sich in den vier Doku-Fiktionen untervertreten fühlten, nicht überrascht?
Von dreihundert Sendungen befassten sich dreissig mit der Rolle der Frauen. Einem ebenfalls sehr relevanten Thema galten die vier grossen Doku-Fiktionen; zwei spiegelten die Anfänge der alten Eidgenossenschaft, zwei die Anfänge des Bundesstaates wider. Da unser Land seine Bürgerinnen erst 1971 an der Macht beteiligte, war das Entstehen unseres Staatswesens eine «bärtige» Sache. Unser Konzept, die Gründung der alten und der neuen Eidgenossenschaft zu beleuchten, war ebenso schlüssig wie kritikwürdig. Jedes Konzept hätte Kritik geerntet.

Rückblickend: Wie beurteilen Sie den Themenmonat, der doch ein Prestigeprojekt war?
Wir sind dazu da, das breite Publikum zu erreichen: Service au public. Uns ist gelungen, Neugierde für die Schweizer Geschichte zu wecken. Und ich vermute, der Themenmonat hat da und dort überholte Geschichtsbilder verändert. Zum Beispiel der Film über die Schlacht am Morgarten, der diese Schlacht gar nicht zeigt, weil sie wohl nie stattgefunden hat: Für etliche Zuschauer zerbrach da eine kleine Welt, trotzdem goutierten sie den Film. Mich beeindruckt, was SRF in der Deutschschweiz, RTS in der Romandie, RSI in der italienischen und RTR in der rätoromanischen Schweiz gemeinsam geschaffen haben. Vier Sprachregionen, die so gut zusammenwirken – das erlebt man selten in der Eidgenossenschaft.

In Ihrer Familie umgeben Sie starke Frauen. Wie haben sie reagiert?
Spräche ich über Privates, wäre es nicht länger privat.

Machen Sie doch eine Ausnahme!
Unser gutes Familienleben bleibt Familiensache. Jede und jeder tut sein Ding, verantwortet sein Ding, spricht über sein Ding.

Trotzdem behellige ich Sie abermals mit den Frauen. Schmerzt es Sie, dass bei der SRG noch immer keine Frau in leitender Funktion ist?
Sie vergessen die Radio-Chefredaktorin, die Programmleiterin von SRF 2 Kultur, die Musik-Bereichsleiterin, die Leiterin des wichtigen SRG-Stabs «Märkte und Qualität», die RSI-Programmchefin und viele andere. Stark ist auch die Leistung der SRF-Kulturchefin Nathalie Wappler, die mit dem «Bestatter» bei Jung und Alt Rekordquoten erzielt.

Aber auf nationaler Ebene, in der Geschäftsleitung der SRG SSR?
Da wird sich etwas ändern – sobald es klappt.

Sie sind drei Jahre im Amt. Was hat Sie an Ihrer neuen Funktion am meisten überrascht?
Dass es bislang erstaunlich gut geht. Die SRG versammelt Profis, die sich ganz und gar mit ihrer Arbeit identifizieren, engagiert arbeiten und nicht in erster Linie monetär getrieben sind, auch wenn der Lohn selbstverständlich stimmen muss. Das ergibt eine erstklassige Auslese.

War es in der Privatwirtschaft anders?
Jedenfalls anerkennt die SRG solche Leistung der Kolleginnen und Kollegen: Mit schlechten Löhnen gäbe es keinen guten Journalismus. Wir bauen auf Sozialpartnerschaft. Wir haben – aber nicht zu einem unangemessenen Preis – Gesamtarbeitsverträge. So gut wie möglich bemühen wir uns um faire Anstellungsbedingungen, wobei der Leistungsdruck steigt, da es fürs unerlässliche Internetangebot kein zusätzliches Geld gibt. Swisscom, SBB, Post, SRG: In der Schweiz ist Service public modern, weil unternehmerisch. Auch die besten privaten Unternehmen des digitalen Zeitalters bauen auf beiderseitige Loyalität zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, allen voran Google: für mich in einzelner Hinsicht ein Management-Vorbild. Im Umbruch der Medien, der von uns allen ein konsequentes, gemeinsames Umdenken erfordert, ist Partnerschaft nötiger denn je.

Aber fühlen Sie sich als langjähriger Mann des «geschriebenen Worts» in den SRG-Strukturen nicht manchmal am falschen Platz?
Ursprünglich wollte ich zum Radio. Als Vierzehnjähriger verfolgte ich im Mai 1968 die Live-Reportagen von Europe 1; der französische Radiosender berichtete nächtelang von den Pariser Studentenunruhen. Die Reporter quartierten sich bei Anwohnern ein, telefonierten von dort aus. Dieser allererste Kommerzsender in Europa betrieb einen neuen Journalismus. Seine Vitalität prägte mich. Acht Jahre später, nach dem HSG-Studium, bewarb ich mich bei Europe 1, ich erhielt einen Vorstellungstermin. Im Nachtzug fuhr ich nach Paris, doch als ich mich am Empfang meldete, wusste bei Europe 1 keiner mehr vom Termin. Ich insistierte, blieb einfach in der Lobby sitzen (lacht).

Mit Erfolg?
Nach zwei Stunden liess sich der Europe-1-Nachrichtenchef erweichen; er empfing mich mürrisch, aber mit Respekt für meine Beharrlichkeit – denn genau das sollte ja einen Reporter auszeichnen. Doch hatte ich Unglück im Glück: Kaum entspannte sich das Gespräch, stürmte ein Volontär ins Büro. Sekunden zuvor war in Nizza der «Bankraub des Jahrhunderts» bekannt geworden; Gangster hatten einen Tunnel in den Tresorraum der Société Générale gebohrt, 371 Safes aufgebrochen. Im Nu hatte keiner mehr Zeit für mich – und bei Europe 1 bekam ich erst ein Jahrzehnt später die zweite Chance: Das Radio lud mich als Frankreich-Korrespondenten der Zeit oft zu Sendungen ein (lacht).

Sie stammen aus einer Bankerfamilie. Wie reagierte sie auf Ihren Berufswunsch Journalist?
Die Familie meiner Genfer Mutter hat Künstler, Wissenschaftler, Literaten, Intellektuelle hervorgebracht – da falle ich nicht vollends aus der Reihe. Die Familie meines Freiburger Vaters hatte mit Finanz wenig zu tun. Etliche meiner Vorfahren waren Grossräte, Regierungsräte, auch mal National- und Ständerat, Richter oder Staatsanwalt, Berufsmilitär, lauter Diener an der res publica. Eine Ausnahme war GC-Fussballer Edmond de Weck, Nati-Spieler 1926/27. Der beste Spross war aus meiner Sicht der Schriftsteller René de Weck, der als Botschafter in Rumänien dazu beitrug, im Zweiten Weltkrieg jüdischen Waisenkindern das Leben zu retten. Erst seit der Elterngeneration spielt das Bankwesen eine Schlüsselrolle: Mein Vater wurde Banker, mein Onkel Privatbankier, mein Bruder war Banker, mein Cousin ist Privatbankier, meine Nichte Bankerin, mehrere Neffen sind Banker. So weit das Auge reicht!

Und Sie sind Bankenkritiker ...
Nein, ich wurde 1976 Recherchierjournalist mit Spezialgebiet Finanzskandale. Im Rückblick steht fest: Das war ein zukunftsträchtiger Beruf! Als Volontär der Tribune de Genève hatte ich in Gestalt von Georges-André Martin einen grosszügig denkenden Chefredaktor, der glücklicherweise ein Chaot war. Er sprühte vor Ideen, gab viele Recherchen in Auftrag und strapazierte das Redaktionsbudget. Mitte Jahr riss dem Verlagsleiter der Geduldsfaden – in der zweiten Jahreshälfte wurde eisern gespart, man halbierte die Zahl der Wirtschaftsseiten. Doch der Chefredaktor machte aus der Platznot eine Tugend: Er stellte meinen Chef Max Mabillard und mich frei, um den «Fall Chiasso» zu recherchieren: den Milliardenverlust der Credit Suisse, der die Schweiz erschütterte, damals schon! Aus unserer monatelangen Recherche erwuchsen eine Artikelserie und ein Buch, das auf Deutsch und Italienisch übersetzt wurde.

Ein Bestseller.
100 000 verkaufte Exemplare. Deshalb befürchtete der Chefredaktor, sein 23-jähriger Erfolgsautor könnte abheben. Also versetzte er mich ins Nachrichtensekretariat, wo ich monatelang nur Artikel redigierte, Fotos kalibrierte, Bildlegenden schrieb. Der oberste Chef eröffnete uns einzigartige Chancen, gleichzeitig erdete er uns. Für Anfänger gibt es kein schöneres Berufsglück als einen generösen, zugleich fordernden Chefredaktor.

Und wie hat Ihr Vater dann Ihre Karriere verfolgt?
Aufmerksam, wohlwollend, kritisch, liberal, immer in grossen Zügen denkend. Noch als ich Zeit-Chefredaktor war, setzte er sich achtzigjährig mit meiner Arbeit auseinander. Drei, vier Mal im Jahr schrieb er mir glänzende, argumentative Briefe, in denen er den einen oder anderen meiner Leitartikel sezierte oder lobte. Was will man mehr?

War der «Fall Chiasso» einer der Höhepunkte Ihrer Laufbahn?
Rückblickend waren die Tiefpunkte die eigentlichen Höhepunkte. Die Arbeit am Umbau der Zeit nicht vollenden zu dürfen, hat geschmerzt. Aber dann war ich das folgende Jahrzehnt ein gefragter, frohgemuter Selbstständiger. Und danach kam das Angebot der SRG.

Warum sind Sie bei der Zeit gescheitert?
Soll ich, fünfzehn Jahre danach, alles rekonstruieren? Man kann scheitern, ohne versagt zu haben. Der Zeit verdanke ich unendlich viel. Als ich 1983 ihren Konferenzraum erstmals betrat, zögerte ich, wo ich mich setzen sollte. Den Tisch umrundeten Helmut Schmidt, Gräfin Dönhoff, gelegentlich Ralf Dahrendorf, überhaupt Deutschlands klügste Köpfe. Ein Kollege half mir weiter: «Hier gibt es keine Sitzordnung, aber wehe, wenn Sie sie verletzen.» Das war der Zeit-Stil. Wir Jungen waren zur Teilnahme an den Debatten aufgefordert. Doch kaum hatte der langsame Schweizer Atem geholt, um etwas zu sagen, war die Diskussion schon zwanzig Kilometer weiter. Nach und nach lernte ich halt reden. Die Zeiten bei der Zeit waren von A bis Z stimulierend. Umso mehr freut mich der Erfolg meines Nachfolgers Giovanni di Lorenzo; er ist der bessere Zeit-Chef. Meine Hauptaufgabe Ende der Neunzigerjahre war der Kulturwandel einer Wochenzeitung, die teils wertbewusst und teils gedankenverloren sehr am 68er-Erbe hing. Mittlerweile bricht die Zeit Auflagenrekorde – weil sie massiv in einen zeitgemässen Journalismus investiert, weil sie statt eines Redaktionsmanagers einen Chefredaktor hat.

Sie sehen Zeit-Herausgeber Helmut Schmidt nach wie vor als Vorbild, wobei er wahrlich nicht dem Ideal eines französischen Politikers entspricht.
Auch in Frankreich gibt es Helmut Schmidts. Nur wurden sie trotz ihrer Popularität beziehungsweise wegen ihrer Ernsthaftigkeit nie gewählt. Ich denke an Raymond Barre zur Rechten, Michel Rocard zur Linken.

Und in der Schweiz?
Schmidts Freund war Bundesrat Kurt Furgler. Ich begleitete Helmut Schmidt nach Prag zum Jahrestreffen seines Clubs der ehemaligen Präsidenten und Premierminister. Dabei fiel auf, dass Schmidt und Valéry Giscard d’Estaing den St. Galler als einen der Ihren sahen – weil er im Gegensatz zu einigen Club-Mitgliedern immer Substanzielles sagte. Das Beispiel Furgler wie dasjenige des Luxemburgers Jean-Claude Juncker zeigen, wie Politiker aus kleinen Staaten grosses Gewicht auf die Waagschale bringen.

Sie haben auch einen guten Draht zu Joschka Fischer und Helmut Kohl.
Zweifellos die zwei deutschen Politiker, die unser Land am besten kennen. Einmal rügte mich der promovierte Historiker Kohl, weil ich nicht wusste, welchen Wähleranteil die nationalsozialistischen Frontisten bei der Ständeratsersatzwahl 1933 im Kanton Schaffhausen erzielt hatten.

Wie hoch war er?
Fürchterlich hoch, 27 Prozent. Kohl sei Dank weiss ichs jetzt.

Zurück zur SRG. Vermissen Sie Ihre frühere Weltläufigkeit nicht ein bisschen?
Nein, ebenso gerne tauche ich nunmehr in die Schweizer Vielfalt.

Aber statt grosser Politik müssen Sie sich mit Verlegern herumschlagen. Wegbegleiter wie Tamedia-Verleger Pietro Supino stehen auf der anderen Seite der Barrikade.
Ihr Bild von der Barrikade habe ich nicht vor Augen. Barrikaden zu errichten, brächte weder die Verleger noch den audiovisuellen Service public weiter.

Das sehen die Verleger anders.
Alles spricht dafür, statt Barrikaden gemeinsame technische Infrastrukturen zu errichten.

In Ihrer Anfangszeit bei der SRG hat Sie Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument bei jedem Verlegerkongress massiv angegriffen.
Hauptsache, man achtet einander. Das tun Hanspeter und ich. Wir kennen uns gut. Und nicht erst seit gestern.

Das war für Sie doch ungewöhnlich.
Vorhin kamen wir auf Schmidt und Kohl, Fischer und Furgler zu sprechen. Menschen machen das Leben spannend, nicht ihre Interessen oder Ideologien. Mit guten Kollegen aus der Branche – unbeschadet vermeintlicher oder realer Interessenkonflikte – eine lebendige Beziehung zu pflegen: Das ist konstruktiv, und es macht mehr Spass.

Schön ausgedrückt. Aber denkt die Gegenseite auch so?
Da ich erst tausend Tage im Amt bin, bleibt reichlich Zeit, das Klima weiter aufzuhellen. Und dazu mag zwischendurch ein reinigendes Gewitter verhelfen.

Welches sind Ihre wichtigsten Projekte für die Zukunft?
Raison d’être der SRG ist das Audiovisuelle. Es ist ihre Kernkompetenz und ihr Auftrag, in erster Linie Audios und Videos zu produzieren: ein Angebot bereitzustellen, das der internationalen audiovisuellen Konkurrenz – sie beherrscht zwei Drittel des Schweizer Fernsehmarkts! – standhält. Ein kommerzieller Anbieter könnte das nicht annähernd schaffen wie die SRG, denn grosse audiovisuelle Produktionen sind ruinös; sie kosten viel zu viel, als dass sie auf unserem viersprachigen, kleinen Markt rentieren würden. Das Volk finanziert uns, wir haben ihm zu dienen: Früher verfolgte es unsere Sendungen einzig in den Kanälen, jetzt gern auch via Internet. Jedes Medienhaus muss dort sein, wo das Publikum ist. Der digital shift ist unsere massgebliche Herausforderung, verzeihen Sie diese banale Auskunft.

Aber verstehen Sie die Ängste der Verleger über die Expansionsstrategie?
Als die Verlagshäuser ihre Webseiten lancierten, war das keine «Expansion», sondern die elementare Hausaufgabe jedes Medienanbieters. Nicht anders verhält es sich mit der SRG. Ich habe Verständnis für die Zukunftssorge einzelner Verlagshäuser, die sich allerdings gut behaupten. In Ländern wie den USA, in denen der Service public völlig marginal ist, geht es den meisten Zeitungen keinen Deut besser, eher schlechter. Gäbe es die SRG nicht oder würde sie auf ein Rumpfangebot schrumpfen, zögen Schweizer Verlagshäuser keinen nennenswerten Vorteil daraus. Die SRG ist hier weder das Problem noch die Lösung.

Welche Medien konsumieren Sie privat?
Medien «konsumiere» ich nicht, mein Wort ist es nicht. Ich höre Radiosendungen und Audios, schaue TV und Videos, lese Artikel im Internet oder in Zeitschriften und Zeitungen. Für mich müssen Service-public-Medien ein gedankliches Projekt und verkäufliche Produkte anbieten: Wir sind sowohl angebots- als auch nachfrageorientiert. Würde die SRG ihr Angebot rein kommerziell gestalten, wäre das wider den Service-public-Gedanken. Würde sie ihr Angebot am Publikum vorbei gestalten, wäre das eine Zweckentfremdung und Gefährdung der Empfangsgebühren, die breiter akzeptiert werden, als die öffentliche Diskussion suggeriert.

Konkret, welche Sendungen schauen Sie?
Gegenfrage: Warum «schauen» statt «hören»? Weshalb fragt man mich vorwiegend nach dem Fernsehen – obwohl das Radio Erstklassiges leistet?

Anders gefragt: Verstehen Sie die Begeisterung, die eine Sendung wie der «Bachelor» auslöst?
Service public ists nicht.

Wenn Sie auf Ihr Leben zurückschauen, gab es ein Schlüsselerlebnis?
Lieber schaue ich nach vorn und lasse mich bei aller Planung überraschen. Zufälle bereichern das Leben. Zufällig kam ich 1982 zum ersten Mal nach Hamburg. Also besuchte ich die Zeit-Wirtschaftsredaktion, für die ich gelegentlich aus der Schweiz schrieb.

Ohne Hintergedanken ...
... ausser dass jeder freie Mitarbeiter seine Auftraggeber pflegt. Zufällig betrat ich das Büro des Wirtschaftschefs in jenen drei Sekunden, in denen er am Telefon einen Gesprächspartner fragte: «Hast du mir einen Frankreich-Korrespondenten?» Als er den Hörer auflegte, hob ich die Hand und kandidierte: «Ich.» Wäre ich Sekunden früher oder später gekommen, hätte ich nie erfahren, dass Die Zeit einen Pariser Korrespondenten suchte. Und die Zeit wäre nie auf den Gedanken gekommen, den jungen Schweizer anzufragen, den man gar nicht persönlich kannte. So erfuhr mein Leben eine verblüffende Wendung.

Ganz am Schluss noch zwei Namen, mit denen Sie immer wieder in Verbindung gebracht werden: Roger Köppel, Roger Schawinski.
(Lacht.) Als Chefredaktor des Tages-Anzeigers suchte ich nach konservativen Jungtalenten, um in der sozialliberalen Redaktion die Debatte zu beleben, andere Perspektiven einzubringen. Dabei fiel mir ein freier NZZ-Mitarbeiter auf, der über Popkonzerte, Eishockeyspiele und Philosophie schrieb. Roger Köppel. Unsere Zusammenarbeit war kurz, da ich 1997 nach Hamburg wechselte. Was er im Kulturteil des Tages-Anzeigers schrieb, war originell. Daneben engagierte ich einen damals querdenkenden Linken und freien WoZ-Mitarbeiter. Markus Somm. Sie entwickelten sich auf ihre Weise, so wie ich mich auf meine Art.

Und Roger Schawinski? Heute ist er Ihr Angestellter.
Nein, er ist SRF-Auftragnehmer. Bei meiner Rückkehr nach Zürich als Tages-Anzeiger-Chef hatten wir grossen Streit um eine kleine Sache. Zwischen uns herrschte Eiszeit. Zum Glück fanden wir uns wieder, aus dem Kollegen wurde ein Freund. Ich verdanke Roger Schawinski – gerade in menschlicher Hinsicht – viel.

Und er?
Weder Schawinski noch sein Talk «Schawinski» verdanken mir etwas: Von der Sendung erfuhr ich, als sie beschlossene Sache war. Das ist auch richtig so. Als Generaldirektor greife ich nicht in die Programme, in die Programmierung, in die Sendekonzepte, in die Sendungen und in die Wahl der Moderatoren ein. Im Wechselspiel mit dem Verwaltungsrat ist meine Ebene die Arbeit an der Unternehmens- und Angebotsstrategie der gesamten SRG. Und dank einer starken Geschäftsleitung setzen wir diese Schritt für Schritt um. 2014 lancieren wir einen SRG-Player: einen gemeinsamen Player für unsere fünf Unternehmenseinheiten SRF, RTS, RSI, RTR und swissinfo.



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